Christiane Florin

27. Dez. 202212 Min.

"Wahrheit ist stärker als die blöde Lüge". Die römisch-katholische Priesterin Ida Raming

Aktualisiert: 9. Jan. 2023

Zum Nachhören: Deutschlandfunk, Tag für Tag, 27.12.2022, 9.35 Uhr.

"Wahrheit ist stärker als die blöde Lüge". Ida Raming hat diesen Satz schon oft gesagt und geschrieben. Die Theologin und Publizistin kämpft seit über 60 Jahren für die Gleichberechtigung von Frauen in der römisch-katholischen Kirche. Eigentlich dürfte es eine wie sie gar nicht geben, denn sie nahm sich ein für Frauen verbotenes Sakrament. Dass es eine wie Ida Raming eben doch gibt, entging auch dem Vatikan nicht. Vor 20 Jahren ließ sie sich widerrechtlich zur römisch-katholischen Priesterin weihen. Joseph Ratzinger persönlich exkommunizierte sie dafür.

Foto: Karlheinz Reinhartz

Die Frau, die es eigentlich nicht geben darf, sitzt an diesem Sommertag rebellisch vergnügt in einer Kölner Küche. Ida Raming ist bei einem befreundeten Ehepaar zu Gast, am Vorabend hat sie in der gut besuchten Kölner Karl-Rahner-Akademie über das Priesteramt diskutiert. Die 90-Jährige hat Kultstatus bei Freund und Feind, gerade weil sie Sätze wie den mit der Lüge und der Wahrheit seit den 1960er Jahren wiederholt.

"Wir schweigen nicht länger"

Im Oktober 1962 begann das Zweite Vatikanische Konzil – und auch Ida Ramings Kampf fing an. Das Jahrhundertereignis endete drei Jahre später. Danach änderte sich einiges. Die Priester drehten zum Beispiel den Gläubigen während der Messe nicht mehr den Rücken zu, sie schauten das Kirchenvolk an. Die liturgischen Texte wurden in die Landessprachen übersetzt. Das Kirchenvolk sollte sehen und verstehen.

Ida Raming wollte schon damals mehr: Sie forderte Gleichberechtigung für Frauen, Weiheämter eingeschlossen. Die junge Theologin und ihre Mitstreiterinnen schrieben Eingaben ans Konzil, ihre Texte erschienen 1964 als Buch. „Wir schweigen nicht länger“, so der Titel. Es sei die erste deutliche öffentliche Stellungnahme von Frauen zu ihrer unterdrückten Lage in der katholischen Kirche, sagt sie. Doch für die Konzilsgranden – allesamt Männer - gab es weiß Gott Wichtigeres als dieses Frauendings.

Als die Konzilsväter für das Weltereignis in den Petersdom einzogen, war Ida Raming 30, jetzt ist sie 90. Das Gespräch am Kölner Küchentisch beginnt mit einem Vergeblichkeitsverdacht.

"Degradierung der Frauen"

Florin: Seit über 60 Jahren widmen Sie sich dem Thema Gleichberechtigung. Hat sich das gelohnt?

Raming: Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich glaube an die Aussage: Wahrheit wird siegen, nicht die Lüge. Wir haben ja als Kinder gelernt: Lügen haben kurze Beine, und es ist nichts so fein gesponnen. Es kommt doch ans Licht der Sonnen. Wahrheit hat eine größere Kraft als die Lüge.

Florin: Worin besteht die Lüge?

Raming: Die Lüge besteht aus meiner Sicht in der Degradierung der Frauen, auch in dem Anspruch, unverschämt, das Wesen der Frau zu beschreiben mit diesen Worten: "Gleichwertig, aber andersartig." Und dann hat die Andersartigkeit dieselben Rechtsfolgen - das muss man sich vorstellen! - wie die Diskriminierung. Das ist Lug und Trug, hätte die Iris gesagt. Das war auch eine große Vorkämpferin, Iris Müller, die ist schon tot.

Florin: Aber das, was Sie Lüge nennen, das hält nun schon 2000 Jahre. Es gibt keine Kirche, in der Frauen gleichberechtigt waren? Also man kommt doch mit der Lüge durch.

Raming: Sie meinen katholisch?

Florin: Ja, keine römisch-katholische Kirche.

Raming: Wir haben zusammen hier gearbeitet an einem Brief an die Glaubenskongregation. Das ist die höchste Kongregation, die ja sagt, was zu glauben ist und so weiter. Ich haben ihnen vorgeworfen, dass sie nie die Forschungsergebnisse von uns oder anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zur Kenntnis genommen haben. Die setzen sich einfach darüber hinweg, und sie finden immer diese neuen Formeln. Zum Beispiel hat der Kurt Koch neulich geschrieben, die Polarität zwischen den Geschlechtern sei maßgebend, und danach müssten wir uns richten. Diese Glaubenskongregation und andere definieren, was unter Polarität zu verstehen ist. Ich muss sagen: Lug und Trug. Ganz ehrlich gesagt.

"Aufgeben tue ich nicht"

"Der Kurt Koch", von dem sie spricht, ist einer der höchsten Amtsträger der römisch-katholischen Kirche, er gehört zur Kurie, also zu einer Art Regierung des Papstes. Es ist jener Kardinal, der kürzlich die Reformbestrebungen auf dem Synodalen Weg in Deutschland mit den hitlertreuen Deutschen Christen in der NS-Zeit verglich.

Laut offizieller römischer Doktrin haben Frauen eine gottgegebene Bestimmung: entweder zur Mutterschaft oder zur Jungfräulichkeit. Dass Frauen die Priesterweihe verwehrt wird, gilt aus dieser Perspektive als wahre Gleichheit, die dem Wesen der Frau entspricht.

Ida Raming schüttelt den Kopf, wenn sie über diese Lehre nachdenkt. Sie stammt aus Fürstenau bei Osnabrück, studierte in Münster und Freiburg Theologie und Germanistik auf Lehramt. Nach dem Staatsexamen begann sie eine Dissertation über den Ausschluss der Frau vom priesterlichen Amt: Ob es gottgewollte Tradition oder Diskriminierung sei, fragte sie im Untertitel ihrer Doktorarbeit rhetorisch. Für Ida Raming ist das Wesensgewese Diskriminierung.

Ihren Lebensunterhalt verdiente sie als Lehrerin an einer Oberschule bei Münster. Wie eine Pädagogin korrigiert sie mit öffentlichem Rotstift Kardinäle wie Kurt Koch und den Deutschen Walter Kasper, die Herren der Glaubenskongregation sowieso. Wie zu Konzilszeiten schreibt sie Briefe nach Rom und registriert minimalste Lernfortschritte im gehobenen Klerus. Unbewegliche Kirchenmänner sind ihre Motivationstrainer.

Florin: Haben Sie nie darüber nachgedacht aufzuhören?

Raming: Nein, wir bleiben dabei. Wir sind ein Stachel im Fleisch dieser Kirche, der notwendig ist, der immer sticht und sticht. Denn die müssen ja mal aufwachen. Ich habe einen kleinen Erfolg gehabt, aber nur einen kleinen: Der Kardinal Kasper hat im „Badischen Tagblatt“ geschrieben, wir müssten die zweitausendjährige Tradition des Ausschlusses der Frau vom Priesteramt beachten. Und da habe ich gedacht: Ich muss dem jetzt schreiben. Ich habe ihm erst persönlich geschrieben, dann nachher einen offenen Brief. Ich habe gesagt: Wann haben Sie mal mit Expertinnen und Experten diese furchtbare, lange Tradition untersucht? Das haben sie ja nicht! Und sie behaupten einfach: Ach, das war immer Tradition, das ist von Gott so gewollt, usw.

Nein, ich konnte nachweisen, das kann ich auch schriftlich nachweisen, dass die Tradition, die sogenannte, voll ist von schwerer Diskriminierung der Frauen. Sie sei nicht Gottes Ebenbild, sie habe die Sünde in die Welt gebracht, sie müsse immer unter der Herrschaft des Mannes stehen. Kann ich alles nachweisen.

Florin: Aber Sie haben nie darüber nachgedacht, aufzugeben und sich ein anderes Thema zu suchen?

Raming: Es war eigentlich immer mein Lebensthema, kann ich wohl sagen. Und das ist auch aufgrund der Dissertation. Einem sogenannten Doktorvater habe ich zu verdanken, dass ich das überhaupt schreiben konnte. Und er hat gesagt: Diese Frage muss gestellt werden können. Und es ist auch dann von zwei Professoren akzeptiert worden, was ich geschrieben habe mit vielen Quellen. Und ich habe sorgfältig gearbeitet. Aber jetzt sage ich mal Folgendes: bei der mündlichen Prüfung der Promotion merkte ich, ich hatte in ein Wespennest gestochen. Ich habe da im Ganzen mit Magna cum laude abgeschlossen, und das ist ja denn auch genug.

Florin: Sie sind zwar exkommuniziert, aber sie möchten dazugehören. Warum möchten Sie dazugehören?

Raming: Weil ich noch eine Stimme habe in dieser Kirche. Der Kardinal Kasper hat tatsächlich "gelernt", also in Anführungszeichen, dass man dieses Argument von der 2000-jährigen Tradition nicht mehr anwenden kann. Das hat er gelernt, weil ich ihm geschrieben habe. Das ist ein kleiner, nur ein kleiner Fortschritt. Aber immerhin, wenn die Leute sich rühren und was sagen und immer wieder sagen: Irgendwann wird es vielleicht mal verstanden, etwas verstanden, ja. Aufgeben tue ich nicht.

Der Beton von Johannes Paul II.

Ida Raming wurde 1970 in Münster promoviert. Erst Jahre später fand sie einen Verlag, der ihre Doktorarbeit druckte . Das lag nicht an der Qualität des Inhalts, der Stoff war zu brisant, die Kirche damals mächtig. 2021 wurde die Dissertation noch einmal veröffentlicht. Was drin steht, ist noch immer aktuell. Zwar behauptet die römisch-katholische Kirche seit den 1960er Jahren nicht mehr, Frauen seien minderwertig, aber an der angeblich gottgegebenen weiblichen Bestimmung und am Ausschluss vom Weiheamt hat sich nichts verändert.

In Kurzform wird das so begründet: Jesus war ein Mann, die Apostel waren Männer, der Priester repräsentiere Christus auch durch das Geschlecht - diese Begründungen werden seit Jahrzehnten unablässig wiederholt. Dogmatisch betoniert hat sie Papst Johannes Paul II..

Am Pfingsttag 1994 richtete er das apostolische Schreiben „Ordinatio Sacerdotalis“ an die Bischöfe, die er Brüder nennt:

"Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken, dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“

Das päpstliche Machtwort im Ohnmachtsgestus beansprucht Endgültigkeit, Zweifel zwecklos. Ida Raming beließ es danach nicht beim Schreiben. Sie holte sich die Weihe, die ihr der Papst verwehrte. Der Heilige Geist, davon ist sie überzeugt, gehört allen. Sie charterte zusammen mit sechs Mitstreiterinnen ein Schiff. Das legte am 29. Juni 2002 in Passau ab.

Die Sieben von der Donau

Ein Radiobericht von jenem Tag fängt die Atmosphäre zwischen Heiligem Ernst und Medienevent ein. In dem Bericht heißt es:

"Es war eine ganz besondere Stimmung, als die Bischöfe den Frauen die Hände aufgelegt haben. Vor den Fenstern der "Passau" zogen die üppigen Wälder an den Ufern der Donau vorbei. Eine peruanische Musikgruppe spielte und viele der Anwesenden waren tief bewegt. Einige hatten die Hände vor das Gesicht geschlagen. Andere holten die Taschentücher hervor. Für viele war das ganz offensichtlich der Moment, auf den sie lange lange gewartet hatten.

Für die weihenden Bischöfe, der Argentinier Romulo Braschi und Ferdinand Regelsberger muss das eine etwas seltsame Situation gewesen sein - denn es war ganz klar, dass sich alle Anwesenden eigentlich einen anderen Bischof für die Weihe gewünscht hätten.

So wie die jetzt geweihte Ida Raming aus Nordrhein-Westfalen: 'Ich bedaure schon, dass wir keinen römisch-katholischen Bischof gefunden haben. Aber die trauen sich nicht.' "

Ein gewisser Joseph Ratzinger

Der Argentinier, der die Weihe spendete, war Bischof einer frei erfundenen, freikatholischen Kirche, offiziell war er schon lange exkommuniziert. Bischöfliche Pressestellen nannten die Weihe damals Spektakel oder absurdes Theater. Auch Reformgruppen wie „Wir sind Kirche“ hielten die Aktion für dubios. Die Sieben von der Donau wählten nicht den Weg der kleinen Reformschritte, sie übertraten bewusst ein Verbot, contra legem heißt dieses Vorgehen. Denn die Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann, verfügt das Kirchenrecht.

Die Frauen wurden am 5. August 2002 exkommuniziert, ihren Ausschluss von den Sakramenten begründete ein gewisser Joseph Ratzinger, damals Präfekt der Glaubenskongregation, so:

"Da die Frauen Christine Mayr-Lumetzberger, Adelinde Theresia Roitinger, Gisela Forster, Iris Müller, Ida Raming, Pia Brunner und Angela White auf das Monitum dieser Kongregation vom vergangenen 10. Juli, das am darauffolgenden Tag veröffentlicht wurde, bis zum festgesetzten Zeitpunkt, dem 22. Juli 2002, keine Zeichen der Reue und Umkehr für das von ihnen begangene schwerwiegende Vergehen gezeigt haben, verhängt dieses Dikasterium über die genannten Frauen gemäß dem Monitum die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation mit allen in can. 1331 CIC festgesetzten Rechtsfolgen.

In Erfüllung dieses gebotenen Einschreitens vertraut die Kongregation darauf, dass die Genannten, erleuchtet durch die Gnade des Heiligen Geistes, zur Einsicht gelangen und den Weg zurück finden zur Einheit im Glauben und zur Gemeinschaft mit der Kirche, die sie durch ihr Handeln verletzt haben."

"Keine der sieben Frauen hat bereut. Das sage ich mit Stolz."

Es folgten weitere Dekrete Ratzingers – viele Jahre später wurde sogar das Kirchenrecht geändert. Allerdings nicht im Sinne der Sieben von der Donau. Seit 2021 wird eine Priesterinnenweihe ausdrücklich als Straftat genannt, sie zieht eine automatische Exkommunikation der Beteiligten nach sich.

Die geweihten Frauen blieben unbeeindruckt und unerleuchtet von der Gnade des "Heiligen" Ratzinger-Geistes. Sie gründeten einen Verein für römisch-katholische Priesterinnen (RCWP). Einige, darunter Ida Raming, erklommen die nächste Verbotsstufe, wurden Bischöfinnen und weihten ihrerseits Priesterinnen. Am rheinischen Küchentisch lässt Ida Raming noch einmal das Donauschiff vorbei ziehen.

Florin: Sie haben vor 20 Jahren entschieden, sich Contra legem, weihen zu lassen.

Raming: Richtig. Ja, weil wir gesehen haben. Nach Ordinatio Sacerdotalis 1994 Johannes Paul II. Die Türen waren geschlossen, und ich muss leider sagen: Sie sind es bis heute. Und wir haben gesehen: Wir kommen nicht weiter. Wir haben ja argumentiert, wir haben geschrieben, wir haben veröffentlicht. Wir kamen nicht weiter. Ja, was kann man dann noch tun? Und es gibt das Wort, das darf man nicht vergessen: Viele sagen, man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen, Apostelgeschichte, 5,29. Das haben wir bei der Ordination öffentlich gesagt, denn wir haben keinen Gehorsam versprochen gegenüber dem Bischof, der anwesend war. Das ist ja ein Männergesetz, nicht ein Gottesgesetz, in dem es heißt, die Heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann.

Florin: Sie sind von einem Mann, von einem bestimmen Mann, nämlich von Joseph Ratzinger, dann sofort exkommuniziert worden.

Raming: Das war sehr schnell. Es ist auffallend, dass der Vatikan alles irgendwie beobachtet hatte. Wie, das weiß ich auch nicht. Ich weiß nicht, welche Kanäle er hat.

Florin: Sie haben nicht bereut. Sie sind immer noch exkommuniziert?

Raming: Das ist wichtig, dass Sie das fragen. Alle, die dabei waren, das waren ja sieben Frauen, wurden aufgefordert: Bereut und sagt „Wir haben Schaden über die Kirche gebracht. Ärgernis über die Kirche gebracht. Ihr könnt in soundsoviel - ich weiß nicht, was wieviel Zeit da war, 14 Tage oder so, glaube ich - bereuen. Keine der sieben Frauen hat bereut. Das sage ich mit Stolz.

Florin: Und als Sie dann ordiniert waren, als Sie römisch-katholische Priesterin waren, so haben Sie sich ja auch nachher genannt, was haben Sie dann damit gemacht? Haben Sie das dasselbe gemacht wie die Männer?

Raming: Wir haben im Asemwald - wo Sie vielleicht schon mal waren oder davon gehört haben, das ist ein Stadtteil von Stuttgart - eine kleine Kapelle der evangelischen Kirche. Es war immer ermöglicht dass wir in der Kapelle im Asemwald Gottesdienste feiern konnten. Wir hatten auch Gäste da, und was ich noch sagen muss: Es haben Ordinationen auch im Asemwald stattgefunden, von Kanadierinnen, von USA-Leuten und wir sind angewachsen jetzt auf 282. Fast 300 sind schon ordinierte Priesterinnen und Bischöfinnen in den USA, Kanada, aber auch Südafrika ist dazugekommen. Und in Lateinamerika auch einige. Die Frauen, wollen auch nicht mehr länger warten. Wie lange sollen sie denn warten?

Florin: Sie nennen sich römisch-katholische Priesterin, nicht einfach nur katholisch. Warum das römisch?

Raming: Ich bin ex-kommuniziertes zahlendes Mitglied der römisch-katholischen Kirche. Ja, warum also? Ich meine, ich sage jetzt nicht die römisch-katholische Kirche macht alles richtig, das ist überhaupt nicht wahr. Aber ich gehöre nun mal dazu, und ich trete auch nicht aus, denn wir protestieren ja innerhalb dieser Kirche.

"Eine Bindung mit Gehorsamsversprechen - das war nichts für mich"

Mittweile sieht sie innerhalb der Kirche mehr Verbündete denn je. Sie freut sich, dass Ordensfrauen wie Philippa Rath und Katharina Ganz für Gleichberechtigung streiten, dass sie Bücher schreiben und dem, was Ida Raming eine blöde Lüge nennt, theologische Erkenntnis entgegensetzen. Ausgerechnet Ordensfrauen begehren auf! Ida Raming hat als Kind ganz andere Klosterschwestern kennengelernt:

"In einer Schule von Franziskanerinnen in Thuine Kreis Lingen bin ich aufgewachsen oder habe da mein Abitur auch gemacht. Die waren, muss ich sagen, nicht auf dem Strom der Zeit, sondern die waren rückständig. Wir durften natürlich keine Hosen tragen, das war verpönt, und wir durften noch nicht mal beim Theaterspiel - wenn wir meinetwegen "Das tapfere Schneiderlein" oder was spielen wollten - Hosen tragen. Dann haben sie gesagt: Ihr dürft aus Schwesternschürzen eine Pumphose machen. Also kein Wort über die geschichtliche Frauenbewegung, die profane Frauenbewegung. Kein Wort davon. Dann haben sie, als sie merkten, ich wollte Theologie studieren, gesagt: Wenn Sie das doch studieren wollen, dann treten sie doch ja hier ein bei Franziskanerinnen. Daraufhin hab ich gesagt: Nein, mach ich nicht. Denn ich kann Ihnen ganz ehrlich sagen: So eine Bindung mit Gehorsamsversprechen, das war nichts für mich. Ich hätte wohl gerne auch einen geistlichen Standort gehabt. Aber die Klöster zu der Zeit waren nicht offen für diese Frage. Die Klöster zu der Zeit waren wirklich nicht offen für diese Frage. Jetzt hat sich das auch geändert."

"Es ist unerhört. Sie sollten sich schämen"

Die 90-Jährige lebt in Stuttgart, sie reist zu Podien, wenn die Gesundheit es erlaubt. Trifft sie den Bischof von Rottenburg-Stuttgart schüttelt sie ihm die Hand und er ihr. Obwohl sie exkommuniziert ist, fühlt sie sich drinnen. Sie hat ihr Leben dieser Kirche gewidmet, auf eine eigene Familie aus religiösen Gründen verzichtet, freiwillig, wie sie betont. Sie erträgt Anfeindungen, sie hält es lächelnd aus, wenn sie als Priesterin und Bischöfin lächerlich gemacht wird. Es muss Liebe sein, was sie für ihre Kirche empfindet.

Florin: Sie haben jetzt über 60 Jahre gewartet. Viele Frauen heute sind dazu nicht mehr bereit. Sie verlassen die Kirche in dem Alter, in dem Sie Ihre Dissertation geschrieben haben. Woher soll der Schwung kommen?

Raming: Ja, aber ich würde sagen, dass Frauen mehr und mehr auch ihre notwendigen Rechte einfordern. Das ist ja nicht nur unsere Sache gewesen. Ich bedauere auch nicht, dass wir dieses Zeichen gesetzt haben. Denn ich kann ja nicht anzweifeln, dass die Frauen, die mit uns ordiniert worden sind, eine Berufung hätten. Ein großes Verbrechen ist, dass die Männer im Vatikan dem Heiligen Geist vorschreiben wollen, wen Gottes Geist berufen hat. Sie machen unendliche Fehler. Und wenn der Papst hier sitzen würde, dem würde ich auch gehörig was sagen, das muss man, das kann man so nicht stehen lassen. Es ist einfach unerhört. Sollen sich schämen.

Florin: Tun sie aber nicht. Sie hören nicht zu und sie schämen sich nicht. Lieben Sie diese Kirche?

Raming: Ob ich die liebe? Ich würde sagen, ich liebe oder versuche zu lieben, Jesus und die Jüngerinnen und Jünger, die er um sich gesammelt hat.

Sie (die kirchlichen Hierarchen) berufen sich immer auf Jesus. Ich sage: Sie haben die Zeit, die damalige Gesellschaft überhaupt nicht studiert. Sie haben nicht gesehen, dass es eine schwerst patriarchalische Gesellschaft war, in der Frauen noch nicht einmal Zeugnisrecht vor Gericht hatten, kein Stimmrecht. Und ich sage auch das Beispiel: Jesus hätte zu Maria Magdalena nicht sagen können: Geh mal in die nächste Synagoge, um das deutlich zu sagen, dass ich auferstanden bin, die wäre ja nicht heil wieder rausgekommen. Das hab ich auch den Bischof Wilmer und anderen geschrieben: Ihr müsst doch mal die damalige Struktur der Zeit beachten! Ihr könnt doch nicht einfach sagen, dass sei alles von Gott gesetzt, unmöglich. Die machen wirklich Fehler. Die Männer üben Macht über die Frauen aus und das ist Sünde!

"Ich gebe nicht auf"

Es ist einer der seltenen Momente im Gespräch, an dem Ida Raming hörbar zornig wird. Oft spricht aus ihr eine geduldige Lehrerin, die kopfschüttelnd all die Fehler anstreicht, die sie in Papieren hochdekorierter Kirchenmänner findet. Verbissenheit wird ihr aus Ferne attestiert, weil sie auch 20 Jahre nach der Weihe auf der Donau nichts bereut. Aus der Nähe, am Küchentisch, wirkt sie weder verbissen noch verbittert. Sie hat Witz, weil es ihr ernst ist mit ihrer Kirche.

Als das Mikrofon aus ist, schiebt sie einige Seiten hinüber, einen Text im typischen Raming-Stil: mal fettgedruckt, mal mager, mal gerade, mal kursiv. Gespickt mit Bibelstellen. Unterstrichen, fettgedruckt und mit Ausrufezeichen steht dort: „Menschenrechte für Frauen – auch in der Kirche!“ Die Herren in Rom bekommen sicher bald Post von ihr. Jeder Brief, jede Mail, jedes Telefonat endet mit dem Satz:

„Wahrheit ist stärker als die blöde Lüge.“

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