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Monsieur Gott und seine Töchter oder Eine Kirche sucht ihren Kern


Kürzlich zeigte das Schweizer Fernsehen eine Sternstunde. Die Sendung heißt so und ist eine. Drei Frauen - die Theologin Li Hangartner, die Künstlerin Lisa Kötter von Maria 2.0 und die Psychotherapeutin Dorothee Wilhelm - erklärten, warum sie Mitglied, Noch-Mitglied und Nicht-Mehr-Mitglied der katholischen Kirche sind. Die drei erzählten und argumentierten, weinten und lachten. Moderatorin Amira Hafner-Al Jabaji ließ ihnen Zeit zum Nachdenken.

Die Journalistin in mir wurde sentimental: So unvorhersehbar haben Talkshows einmal ausgesehen, bevor Populisten sie kaperten. Die Katholiken in mir wurde noch sentimentaler: So kann es sich anhören, wenn Menschen ernsthaft darüber reden, was es bedeutet, katholisch zu sein.

Als der „Weiberaufstand“ gerade erschienen war, fragten mich einige Interviewer, ob die katholische Kirche nicht ihren Markenkern aufgebe, wenn sie Frauen gleichberechtige. Wenn ich das Wort Markenkern höre, denke ich an Kinder beim Kirschkernweitspucken. Meine Standardantwort war: Das wäre eine armselige Kirche, wenn sie keinen anderen Markenkern als die Diskriminierung hätte. Wäre, hätte.

Wo kein Gras mehr wächst, beginnt der Weg

Derzeit sucht die katholische Kirche in Deutschland danach, was sie im Innersten zusammenhält. Eine Kirche sucht ihren Kern. Wohin das führt und wer wen anführt, steht in den Sternen. Sternstunde heißt das Vorhaben dennoch nicht. Es wurde synodaler Weg genannt. Über den Namen wird gespottet. Griechischkundige wundern sich, was ein gemeinsamer Weg-Weg sein soll. Kirchenrechtler halten es für ein undefinierbares Dingsda. Marketingmenschen texten anders, wenn sie etwas bewegen wollten.

Mir fällt, wie immer, als erstes ein altes neues geistliches Lied ein. „Zeige uns den Weg, zeige uns den Weg, zeige uns den Weg, der zum Ziel uns bringt“. Der Song klingt so mitreißend, dass man die letzten Strophe nie erreicht. Deshalb weiß ich nicht, ob und wo dieser Weg endet. Wer gern spirituelle Bücher mit Fotos verschlungener Pfade anschaut, mag mich sanft zurechtweisen: „Gerade da, wo kein Gras mehr wächst, fängt ein neuer Weg an. Du musst ihn nur sehen.“

Markenkernweitspucken

Derzeit sehe ich Männer mit Bischofsmützen, die nervös auf der Stelle trampeln und sich die Zeit mit Markenkernweitspucken vertreiben. Bischöfe zielen nicht ins Weite, sie zielen auf den Mitbruder, damit der endlich spürt, was katholisch ist und was nicht. Katholisches muss wehtun.

Auch Geschosse aus Rom landen auf deutschen Häuptern. Die Zentrale hat gerade dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz eine weiche Schale mit hartem Kern den Kopf geworfen. Der synodale Weg sei kirchenrechtlich problematisch, es dürfe nur Unverbindliches rauskommen und selbst beim Unverbindlichen sollten Laien möglichst wenig zu sagen haben, steht in einem Brief an Seine Eminenz Marx. Es gilt also auf de Weg die römische Regel: Wer nicht weit kommt, gewinnt.

In Kommentaren gibt es Mitgefühl mit den mutigen deutschen Wegbereitern, die schon wieder zum Opfer römischer Fallensteller werden. Erst habe der Papst sie zum freimütigen Diskutieren eingeladen, nun würden sie dafür abgemahnt, schreibt etwa Daniel Deckers in der FAZ.

Frauen bleiben auf der Strecke

So viel Mitgefühl bringe ich nicht auf. Denn bevor überhaupt irgendein Schritt auf dem synodalen Weg getan wurde, ist klar, dass Frauen auf der Strecke bleiben. Sie sind zwar vom Quer- zum Längsthema geworden, aber von ihnen wird - wie immer - Bescheidenheit erwartet. Gleichberechtigung gilt als unverschämtes Maximalziel. Wer es formuliert, gefährdet das große, kleine Ganze. Jetzt, nach dem Brief aus Rom, erst recht. Reinhard Marx sagte vor einer Woche in einem Interview mit der FAS zur Frauenweihe. „Das ist ist entschieden, auch wenn die Diskussion nicht zu Ende ist.“ Klingt widersprüchlich, macht aber nichts. Wer den sakramentalen Kern vertieft verstanden hat, schluckt alles, was der Verstand nicht hinnehmen will.

Nun sieht sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz selbst dem Vorwurf ausgesetzt, des Katholischen nicht mehr hinreichend mächtig zu sein. Andere Bischöfe attackieren ihn mit kernigen Belehrungen. Das Synodings ist sein Ding. Um es in irgendein Ziel zu retten, dürfte er es für strategisch klug gehalten haben, wenigstens in einem Punkt vorauseilend Gehorsam zu beweisen. Dran glauben, müssen die Frauen.

Liebe Weiber, stellt euch hinten an! Es gibt wichtigeres Themen!

Auch der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat erklärt, dass am päpstlichen Verbot der Frauenordination „Ordinatio Sacerdotalis“ niemand vorbei kommt, nicht längs und nicht quer. Die Frauenweihe sei ohnehin nicht der richtige Weg, sagte er. Der Heilige Vater hat Stillstand befohlen, die Heiligen Söhne marschieren stehend hinterher. Den Weibern rufen sie zu: Stellt euch nicht so an! Stellt euch hinten an! Es gibt weiß Gott wichtigere Themen!

So sehr Marx und Ackermann sich auch bemühen: Gegen einige ihrer bischöflichen und bischofsähnlichen Kollegen können sie den Markenwettbewerb nicht gewinnen. Rudolf Voderholzer liegt weit vorne im Nicht-Weit-Kommen. Der Regensburger Bischof behauptet ausdauernd: „Jesus hat bewusst nur Männer als Apostel ausgewählt“. Damit steht er nicht nur - wie die laxen Amtsbrüder - lustlos stramm vor einem lehramtlichen Dokument; er sieht sogar ein, warum er gehorchen muss.

Im Vergleich mit den neuesten Kölner Kernaussagen gerät aber sogar einer wie Voderholzer ins Vordertreffen. Die Sakramentalität der Kirche eröffnet viele Wege, auf denen rückwärts überholt werden kann. Man muss sie nur sehen.

Wenn Gott gewollt hätte

Der Erzbischof von Köln hat sie erkannt. In der Domstadt reicht Jesu angebliches Auswahlverhalten nicht mehr. Mit Unterstützung des Theologen Karl-Heinz Menke steigt man eine Etage höher ein. Menke sagte in einem Interview mit dem Domradio: „Natürlich kann man darüber spekulieren, ob Gott, wenn er gewollt hätte, nicht auch als Frau hätte Mensch werden können. Aber angesichts der Bedeutung der Geschlechterdifferenz für die Beschreibung des Verhältnisses Gottes zum Menschen ist eine solche Hinterfragung des Faktischen ein Zeichen für den Verlust des sakramentalen zugunsten des funktionalen Denkens.“

Gott ist also Mann geworden, und mehr noch: Gott ist ein ER und dieser ER hat sich ganz bewusst dagegen entschieden, als Tochter Mensch zu werden.

Wäre ich jetzt eine dieser Talkshow-Populistinnen, würde ich sagen: Gott hätte auch gleich als Kardinal Menschen werden können. Aber meines Wissens kam der Junge ohne Hut und Soutane zur Welt. Die Differenz zwischen Krippe und Kathedrale war ihm wichtig.

Aber ich versuche es seriös: In vatikanischen Dokumenten zum Thema Frauenweihe ist eine derartige Beweisführung bisher nicht zu finden. In „Inter Insigniores“ und in „Ordinatio Sacerdotalis“ steht, dass Jesus frei gewesen wäre, Frauen als Apostelinnen auszuwählen, er habe aber darauf verzichtet. Von Monsieur Gott und seinen abgelehnten Töchtern steht da nichts.

Köln ist göttlich

Seit Meisners Zeiten gibt es eine Standleitung vom Rhein nach Rom, gern am Vorsitzenden der Bischofskonferenz vorbei. Diese Leitung existiert noch, ist aber eigentlich nicht mehr nötig. Nach diesen theologischen Ausführungen zum sakramentalen Kern kann kein Zweifel mehr bestehen: Köln ist päpstlicher als der Papst. Köln ist göttlich.

Meine Katholizität reicht schon lange nicht mehr aus, um von mehrfach geweihten Männern Mumm und Mut zu erwarten.

Aber dass nicht einer von den 69 Mitgliedern der Bischofskonferenz sagt: "Ordinatio Sacerdotalis steht quer im Weg, ich wünschte, ich könnte es beiseite räumen."

Dass niemand so laut, dass man es auch in Köln hört, fragt: Wat soll der Quatsch mit der Mannwerdung Gottes?

Dass niemand den Weg auskundschaftet und erklärt: Wir haben uns beim Thema „Geschlechterdifferenz“ in eine Sackgasse verrannt - das alles lässt tief in den Markenkern blicken.

Keiner der Herrn mit Hut und Mütze ermannt sich und bringt den schlichten Satz über die Lippen: Frauen und Männer sind gleichberechtigt, auch in der katholischen Kirche.

Kniefall vor dem patriarchalen Zeitgeist

Dieser eine Satz ohne Wenn und Aber wäre kein Geschenk an die deutschen Luxusweibchen, so wie es die Rechtgläubigen darstellen, wenn sie auf die „Weltkirche“ verweisen. Es wäre eine Wegzehrung für die Millionen unterdrückter Frauen weltweit. Wer diesem einfachen Satz ausweicht, beugt sich dem patriarchalen Zeitgeist, passt sich den Mehrheitsverhältnissen von Machogesellschaften an. Wer ihn relativiert, steht auf der Seite der Unterdrücker. Dort verharrt die Spitze der katholische Kirche in Rom, dort verharren die Bischöfe in Deutschland, allem Unterwegs-Singsang zum Trotz.

Nimmt man den Jungs die Diskriminierung weg, dann haben sie nichts mehr zum Spielen und Spucken.

Hätte.Wäre. Wie war noch gleich die Frage nach dem Markenkern? Ich nehme in der Antwort den Konjunktiv zurück.

Das ist eine armselige Kirche. Der Kern ist hart, aber hohl.

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