Komm mit, aber frag nicht wohin. Würden Sie da mitgehen? Im Zustand des Verliebtseins vermutlich schon. Aber würden Sie mitkommen, wenn ein katholischer Bischof Sie fragt? „Um Himmels willen, nein!“ Das dürfte die wahrscheinlichste Antwort in einer bundesweiten Spontanumfrage sein. Dem Klerus wird nicht vertraut, aber ihm wird alles zugetraut, erst recht, seit die Zahlen zu sexualisierter Gewalt durch eine Studie vor einem Jahr bekannt wurden. Im aktuellen Gemeinwohlatlas, der den Gemeinwohlbeitrag von Organisationen und Unternehmen untersucht, landet die römisch-katholische Kirche auf Platz 102, knapp vor dem Deutschen Fußballbund, deutlich hinter dem konfessionellen Mitbewerber. Die evangelische Kirche schafft Platz 19, trotz ähnlich hoher Austrittszahlen. Das Vertrauen ist weg, das Ansehen ist weg. Aber überraschend viele Katholikinnen und Katholiken sind immer noch da: 23 Millionen. Das muss dann doch Liebe sein.
An die verbliebenen Liebenden ergeht eben diese Aufforderung: Komm mit, aber frag nicht wohin. Wer noch nicht weg ist, soll sich jetzt auf den synodalen Weg machen. Diese Wortschöpfung wurde vor einem halben Jahr bei einem Bischofstreffen in Lingen im Emsland erfunden. Es war eine Kompromissformel, mit der die hohe Geistlichkeit signalisieren wollte: Wir haben aus der Studie gelernt, dass Missbrauchstaten und ihre Vertuschung keine bedauerlichen Einzelfälle sind. Wir haben verstanden, dass wir über Macht, Sexualmoral und Männerbünde reden müssen. Diese Woche – bei der Bischofsversammlung in Fulda – wurde der schon beschlossene synodale Weg noch einmal beschlossen. Das war nötig, weil einige Bischöfe die sechs Monate zwischen Lingen und Fulda hauptsächlich mit Aufstampfen, auf der Stelle trippeln und Gegen-das-Schienbein-anderer-Treten verbracht haben.
Wanderung im Sitzen
In der katholischen Wunderwelt werden Wege nicht immer durch Bewegung bewältigt. Man kann auch sitzend gehen. Ein synodaler Weg ist denn auch keine fromme Fridays-for-Future-Demo an der frischen Luft. Es ist ein Sitzungsmarathon in der Binnenwelt. Bischöfe und Laien – so werden Nicht-Geweihte genannt – werden zwei Jahre lang organisiert miteinander reden.
Vier Redebereiche sind abgezirkelt: Macht, priesterliche Lebensform, Sexualmoral und Frauen in Ämtern und Diensten der Kirche. Schon beschlossene Arbeitspapiere kritisieren, dass in der Lehre Unterleibsbeobachtung zum Allerhöchsten erklärt wird, als sei die Kontrolle darüber, wer wann mit wem Sex hat, ein zentraler Glaubensinhalt. Für so offene Worte wäre Theologinnen und Theologen vor ein paar Jahren die Lehrerlaubnis entzogen worden. Gewandert wird also in einem gewandelten Klima. Aber wenn das Klimaziel erreicht ist, reicht das? Ausgeschlossen ist schon jetzt, dass – so eine der Forderungen – Amtsinhaber demokratisch gewählt und abgewählt werden. Ausgeschlossen ist auch, dass Frauen gleichberechtigt zu allen Ämtern zugelassen werden. Eher wird ein neues Ämtchen kreiert, das dann auch Frauen bekommen dürfen. Das synodale Ziel ist das, was übrig bleibt. Wovon auch immer.
Das Hauptproblem ist nicht das ungewisse Ziel, sondern der Anfang
Das Hauptproblem des Weges ist nicht das ungewisse Ende. Es ist der Anfang. Wer verschiedenen Bischöfen zuhört und an der Basis herumkommt, gewinnt den Eindruck, in völlig verschiedenen katholischen Kirchen und völlig verschiedenen Wirklichkeiten unterwegs zu sein. Da sind jene um den Vorsitzenden der Bischofskonferenz Reinhard Marx, die das Synoden-Dings zu ihrem Ding gemacht haben, weil sie aus ihren Gemeinden hören: So kann es nicht weitergehen. Diese Würdenträger spüren, dass sie zumindest verbale Veränderungsbereitschaft zeigen sollten. Bescheidene Reformankündigungen verkaufen sie als große Abenteuer. Dass der Vatikan dagegen ist, macht sie im Reformlager schon zu deutschen Helden. Auf der anderen Seite sind jene um den Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki. Auch sie sagen, es könne so nicht weitergehen. Aber sie meinen etwas anderes als die handelsüblichen Reformen. Wenn Weg, dann Wallfahrt, und die am besten rückwärts, ist ihre Devise. Wenn sie aufstampfen, bleiben Schlaglöcher, weil der Heilige Geist gleich mit eingeschlagen hat.
Für einen Neuanfang hat es nicht gereicht
In der synodalen Roadshow sind die Hauptrollen klar verteilt. Doch ganz gleich, wer in wessen Augen Held und wer Schurke ist: Es bleibt eine Show, ein Spiel mit den Gefühlen der Immer-noch-Liebenden. Für einen Neuanfang – personell und ideell – hat es in der deutschen Kirchenleitung nicht gereicht.
Opportunismus wird zum Lernprozess verklärt, Biegsamkeit als Re-Form
Stattdessen Wendungen und Windungen: Bischöfe, die noch kürzlich die Existenz von Macht bestritten haben, schwingen sich zum Klerikalismus-Kritiker auf. Bischöfe, die das Missbrauchs-Thema für aufgebauscht hielten, sind nun zu hohen Entschädigungssummen bereit. Und Bischöfe, die erkennbar überfordert sind, kleben am Amt. Wer sich unter größtem Druck verbiegt, verkauft sich als Reformer. Opportunismus wird zum Lernprozess verklärt. Und wer nicht mitgeht, bekommt zu hören: Es gibt keine Alternative. Die treffendste Übersetzung von synodalem Weg ist: weiter so.
Sonntagskommentar, Deutschlandfunk, 29. September 2019, 6.05 Uhr.