top of page

"Das Schlimmste war, auf Sex reduziert zu werden".Warum Matthias Helfen nicht Priester werden durfte

Matthias Helfen hat lange überlegt, ob er seine Geschichte öffentlich erzählen soll. In einem Satz geht sie so: Matthias Helfen wollte römisch-katholischer Priester werden, aber er musste das Priesterseminar verlassen, weil er schwul ist. Das ist über 20 Jahre her, doch für ihn ist nichts vorbei. Jede der vielen Äußerungen kirchlicher Spitzenmänner zum Thema Homosexualität fügt seiner Geschichte schmerzhafte Kapitel hinzu – ob die Worte von Hardlinern kommen oder von verbal veränderungsbereiten Kirchenmännern wie Georg Bätzing. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz sagte zum Thema Homosexualität 2022 gegenüber dem Deutschlandfunk:

"Deswegen sage ich ja, die Lehre der Katholischen Kirche muss in diesen Punkten verändert werden… Ich glaube, in der wirklichen Erkenntnis dessen, was unser Gottes- und Menschenbild ist, gehört etwa die Diskriminierung von homosexuell Lebenden, in Beziehung lebenden Menschen nicht als Verbot hineingeschrieben, sondern als eine Möglichkeit, der wertschätzend begegnet wird."





Solche Worte tun Matthias Helfen besonders weh. Er wünscht sich nicht nur öffentliche Reformreden, er wünscht sich einen kritischen Rückblick auf jene Zeit, in der Bätzing als Leiter des Trierer Priesterseminars diese Lehre durchgesetzt hat. Zum Beispiel gegenüber Kandidaten wie Matthias Helfen.


„Ich kann mich selbst nicht besonders gut hören“, sagt er. Aber er möchte, dass andere ihn hören. Der Name ist erfunden, die Stimme echt. Wir beide sprechen im Studio eine Weile miteinander, über die Anreise, das Wetter, so lange, bis die Stimme weniger zittert und das Mikrofon für den 54-Jährigen seinen Schrecken verliert.


"Der drohende Gott war immer dabei"


Er stellt sich vor:


Matthias Helfen: Im Saarland geboren, gut katholische Familie, konservativ kann man nicht sagen, aber schon auch mit Gottesbildern aufgewachswen, die mit Angst und Furcht gearbeitet haben. Der drohende Gott war immer mit dabei.


Florin: Wer hat Ihnen den vermittelt, den drohenden Gott?


Helfen: Meine Mutter. Ich denke aber ja, wir haben später auch darüber mal gesprochen. Es war ihre Erziehung, und sie nutzte das auch als Erziehungsmittel. Also, das hat mir schon auch immer sehr viel ausgemacht. Also wenn ich dazu im Nachhinein betrachte, schwang diese Angst immer mit, nicht gut zu sein oder nicht ausreichend gut zu sein

"Du bist ja voll schwul"

Die römisch-katholische Kirche war ein selbstverständlicher Teil des Lebens. Matthias Helfen wurde Messdiener, engagierte sich in der Jugendarbeit. Mit 14 merkte er, dass er sich zu gleichaltrigen Jungs hingezogen fühlte. Er behielt den Verdacht für sich:


Helfen: "Das hätte ich mir nie eingestanden. Ich erinnere mich noch daran, dass mein Cousin mir gesagt hat, weil er irgendwie mitbekommen hat, dass ich Orgelmusik mag. "Du bist ja voll schwul." Und das hat mich getroffen, das weiß ich noch. Das war aber etwas, damit wollte ich nichts zu tun haben. Da kann jetzt sein, und irgendwo glaube ich auf das darf nicht sein, weil ich wusste, das ist ein Bereich, der von der Kirche nicht gut gesehen wird.

Florin: Wer hatte Ihnen das vermittelt, dass das kirchlich gesehen nicht sein darf? War das auch schon mal Thema bei Ihrer Mutter?

Helfen: Nein, es war kein Thema bei meiner Mutter. Aber Thema Sexualität war immer negativ besetzt. Also immer mit Sünde. Ich kann mich auch an eine Situation erinnern, die ja schon auch prägend war, als ich für mich allein in meinem Zimmer sein wollte und Tür abgeschlossen habe, wie man das dann halt schon einmal so tut und wie meine Mutter geklopft hatte. Und dann sagt, weil ich dann nicht geantwortet habe: „Ich weiß genau, was du da tust, und dafür kommst du denn die allertiefste Hölle.“ "


Matthias Helfen glaubte damals an die Hölle - und fürchtete sie.


Mit Achtung, Mitleid und Takt


Nach dem Schulabschluss machte er eine Ausbildung zum Erzieher, dann schrieb er sich an einer katholischen Fachakademie ein. Gemeindereferent wollte er werden. Er begann eine Beziehung zu einer Kommilitonin – und erkannte: Das passt nicht, sein Begehren gilt Männern, nicht Frauen.


Im Katechismus, dem Leitfaden für römisch-katholische Gläubige, steht zum Thema Homosexualit

ät: "Eine nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen haben tiefsitzende homosexuelle Tendenzen. Diese Neigung, die objektiv ungeordnet ist, stellt für die meisten von ihnen eine Prüfung dar. Ihnen ist mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgend einer Weise ungerecht zurückzusetzen. Auch diese Menschen sind berufen, in ihrem Leben den Willen Gottes zu erfüllen und, wenn sie Christen sind, die Schwierigkeiten, die ihnen aus ihrer Verfasstheit erwachsen können, mit dem Kreuzesopfer des Herrn zu vereinen."


Wie „diese Menschen“ zu leben haben, steht auch im Katechismus:


"Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen. Durch die Tugenden der Selbstbeherrschung, die zur inneren Freiheit erziehen, können und sollen sie sich - vielleicht auch mit Hilfe einer selbstlosen Freundschaft -, durch das Gebet und die sakramentale Gnade Schritt um Schritt, aber entschieden der christlichen Vollkommenheit annähern."


Die Priesterweihe ist mit dieser "christlichen Vollkommenheit" nicht gemeint. 2005 verbot die Kirche ausdrücklich die Weihe homosexueller Männer, vorher war jeder, der eine aus lehramtlicher Sicht ungeordnete Sexualität hat, ist im Priesteramt zumindest unerwünscht – in der Theorie jedenfalls. Praktisch boten Priesterseminare einen Zufluchtsort für homosexuelle Männer zu einer Zeit, als Schwulsein in der Gesellschaft noch nicht offen gelebt werden konnte.


In Matthias Helfen wurde während der Ausbildung zum Gemeindereferent in den 1990er Jahren der Wunsch stärker, Priester zu werden. Aber nicht, um sich zu verstecken: „Die Bedeutung der Sakramente als Zusage Gottes an die Menschen heranzubringen - das war so eine Aufgabe, die ich gerne gemacht hätte.“


Angst, mit Schimpf und Schande davon gejagt zu werden


1999 zog er ins Priesterseminar für Spätberufe, ins Studienhaus St. Lambert in Lantershofen. Die Sache mit der Sexualität, die bekomme er schon hin, glaubte er. Enthaltsam leben müssten schließlich alle, ob homo- oder heterosexuell.


"Helfen: Es war mir dann klarer mit meiner Sexualität, aber ich wollte der nicht so viel Gewicht geben. Im Vertrauen: Das schaffe ich schon. Aber es war von Anfang an ein Stück weit angstbesetzt.

Florin: Wovor hatten Sie Angst? Dass es auffliegt, dass Sie zur Rede gestellt werden?

Helfen: Dass es auffliegt, dass ich zur Rede gestellt werde, und dass man mich als üblen Sünder oder defizitären Menschen sieht. Ich kannte die Dinge, die im Katechismus darüber stehen. Da hatte ich Angst, mit Schimpf und Schande davon gejagt werden.“

Geleitet wurde das Spätberufenenseminar damals von Stephan Ackermann, dem heutigen Bischof von Trier. Das erste Gespräch mit dem Regens, so heißt der Leiter auf Katholisch, sei okay gewesen, aber ein Gespräch mit dem geistlichen Leiter, dem Spiritual, befeuerte seine Angst.


"Helfen: Das Gespräch mit dem Spiritual blieb mir noch so in Erinnerung als sehr unangenehm, weil eine der ersten Fragen, die er so gestellt hatte, war, ob es schon mal Geschlechtsverkehr mit einer Frau hatte und ich total perplex war, damit eigentlich gar nichts anfangen konnte, aber auch nicht so reagieren konnte, wie heute reagieren würde. Dass ich sage: Das geht Sie überhaupt nichts an. So war ich halt nicht. Sondern einfach gesagt habe: Nein. Obwohl das nicht gestimmt hat. Aber da war halt die Angst, rein zu sein. Ich habe gemerkt, dass dieses Thema so wichtig ist.

Florin: Womit erklären Sie sich, dass das Thema so wichtig ist?

Helfen: Also ich denke, dass es nach wie vor noch so ein Bild von Reinheit gibt…. Enthaltsam leben und unbefleckt zum Altare Gottes schreitend. Solche Fantasien.


Anonyme Denunzianten im Priesterseminar


Keusch und rein lebten weder er noch andere. Er verliebte sich in einen Seminaristen, die beiden wurden heimlich ein Paar. Sie merkten schnell, dass die Einhaltung der Lehre nicht weit weg in Rom überprüft wird, sondern mutmaßlich nebenan, in einem der Zimmer von St. Lambert.

„Bei uns war es dann so, dass andere Mitstudenten was mitbekommen haben, vermutet haben. Irgendwann bekam mein Freund dann anonyme Briefe unter der Tür durchgeschoben mit so Sätzen wie: Wir wissen, was ihr tut. Ihr seid nicht würdig. Und dann wurden sämtliche Bibelstellen, die man immer gegen Homosexualität aufführt, da aufgezeigt und eben auch ein der Katechismus. Und es blieb nicht bei einem Mal, sondern es passierte immer und immer wieder, das ja wir darauf aufmerksam gemacht wurden, ein nichts ordnungsgemäßes Leben dort zu führen.“

Der Freund wandte sich an Regens Stephan Ackermann. Die beiden sollten das Verhältnis beenden, sagte der. Der Freund, so erinnert sich Matthias Helfen, habe die Beziehung zu einem Ausrutscher heruntergespielt, er selbst aber habe das nicht gekonnt:

„Dann muss ich halt zu meiner Wahrheit stehen und sagen: Ich bin schwul. Und dass das aller Voraussicht bedeutet: Ich muss das hier beenden. Und als ich ihm (dem Freund) das gesagt hatte, war seine Reaktion also ich habe ihm gesagt, ich gehe selbst zum Regens, bin dann auch zum Regens gegangen, habe ihm dann gesagt, wie die Sache sich richtig verhält. Dass er eben nicht irgendein Gerücht ist und meinem Freund habe ich dann gesagt, dass ich beim Regens war, der dann nur meinte: ,Jetzt hast du mir meine Karriere kaputtgemacht.' …Wir wurden noch einzeln verhört, so würde ich heute bezeichnen. Es wurde immer geschaut, wie tief sitzend diese Homosexualität ist. “


Ackermann: "Konversionstherapien kamen nie in Frage"


Dem früheren Seminarchef Stephan Ackermann legt der Deutschlandfunk schriftlich einige Fragen vor. Er antwortet: " Zu persönlich-vertraulichen Gesprächen, die ich als Verantwortlicher mit Kandidaten im Rahmen der Priesterausbildung geführt habe, gebe ich grundsätzlich keine Auskunft."


Auf Veranlassung Ackermanns, so stellt Matthias Helfen es dar, sei er in München von verschiedenen Experten begutachtet worden. Die Tiefe der homosexuellen Neigung sollten da ergründet werden. Stephan Ackermann bestätigt nicht, dass er das anordnete, teilt aber mit, es gebe das Angebot bzw. die Empfehlung, den in München ansässigen Beratungsdienst für kirchliche Berufe in Anspruch zu nehmen.


Matthias Helfen sagt: „Bei mir wurde zwar kein Test gemacht, nur als ich dort ankam, sagte der erste Psychologe zu mir: Jetzt sagen Sie mir mal, aus welchem Irrenhaus Sie kommen. Wenn Ihr Regens meint, wir würden Sie hier umpolen, dann hat er sich aber ganz schön geschnitten.“


Stephen Ackermann bestreitet gegenüber dem Deutschlandfunk jeden Versuch, Seminaristen „umzupolen“: "Konnversionstherapien für homosexuell empfindende Kandidaten kamen in den Kontexten, in denen ich als Priesterausbilder tätig war, nie in Frage."


Für Matthias Helfen war nicht nur der Leiter des Lantershofener Priesterseminars zuständig, sondern auch der Regens desjenigen Bistums, aus dem er kam, also Trier. Der Leiter des dortigen Priesterseminars hieß damals - Georg Bätzing.

Matthias Helfen erinnert sich an das Abschlussgespräch mit ihm:

Helfen: Da musste ich auch hin, um ihm zu erklären, dass ich jetzt aufhöre. Er hatte natürlich mitbekommen, dass diese ganze Sache lief, aber bis dahin hatten wir gar kein Gespräch, also bis zu dem Abschlussgespräch. Der erste Satz von ihm war: „Sie müssen nicht so tun (i. S. von: sich nichts darauf einbilden), dass Sie da die Wahrheit gesagt haben. Sie hätten damit schon früher kommen können. Ich dachte, man muss doch Verständnis haben, warum man nicht früher kommt. Wegen des Klimas, das da herrschte. Klar hat man über Homosexualität gesprochen, aber immer in der negativen Form. Da musste doch klar sein: Das ist kein Thema, mit dem man mal eben zum Regens marschiert.

Florin: Das heißt, er hat Ihnen Vorwürfe gemacht in diesem Gespräch?

Helfen: In dem Sinn empfand ich diese Aussage als einen Vorwurf.

Dann zeigte sich aber noch mal auch von ihm eine andere Seite, wo ich ihn dann schon als mitfühlend und verstehend erlebt habe, aber letztendlich als hilflos.“


Bätzing: "Gereife Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität notwendig"


Der Deutschlandfunk hat bei Georg Bätzing nachgefragt, ob er sich an das Gespräch erinnert und wie. War der entscheidende Grund die Homosexualität des Kandidaten? Sein Pressesprecher teilt mit:

"Ich bitte um Verständnis, dass Bischof Bätzing zu vertraulichen, persönlichen Gesprächen keine Auskunft gibt."

Allgemein lässt der Bischof von Limburg zum Thema Homosexualität im Priesterseminar erklären:

„Eine gute und gereifte Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität ist eine notwendige Voraussetzung für die Entscheidung zur Lebensform des Zölibates. Unabhängig von der sexuellen Orientierung ist dies eine Aufgabe für jeden Priesterkandidaten. Dazu gibt es gute Beratungs- und Begleitungskontexte in der Priesterausbildung. Im Trierer Priesterseminar hat man sich darum immer sehr intensiv bemüht. Es gab in der Zeit der Verantwortung von Bischof Bätzing als Regens unter anderem Beratungsdienste, geistliche Begleitung und pastoralpsychologische Supervisionsangebote.

All dies setzt jedoch voraus, dass ein Priesterkandidat diese Instrumente zur Klärung seiner Berufs- und Lebensentscheidung auch nutzt und das notwendige Vertrauen aufbringen kann. Um dieses Vertrauen hat Bischof Bätzing als Regens stets geworben."


Matthias Helfen verließ das Priesterseminar am Jahresende 2001. Er arbeitete zeitweise als Lehrer und geriet in eine tiefe Krise. Sein ehemaliger Freund wurde zum Priester geweiht und machte eine klerikale Karriere, Ackermann und Bätzing stiegen zu Bischöfen auf. Der ehemalige Seminarist selbst brauchte eine Therapie.


Das JA von Mutter Kirche


Er bedauert es nicht, offen zu seiner Homosexualität gestanden zu haben. Er hätte nicht wie manche seiner Kommilitonen erst im Zölibat Keuschheit versprechen und die Liebe zu Männern dann heimlich leben wollen. Von seiner Kirche ist Matthias Helfen enttäuscht, lösen kann er sich von ihr nicht. Er nimmt sie ernst, deshalb leidet er.


Er hätte sich damals gewünscht, nicht zurückgewiesen zu werden, heute wünscht er sich angesichts der Reformdebatten erst recht, dass sie zum ihm JA sagt:

"Ich kann das gar nicht genau erklären, warum ich dieses JA der Kirche will und angenommen sein will von ihr. Trotz aller Erfahrung war sie für mich immer prägende Heimat gewesen. Und ja, wie man so schön sagt halt Mutter Kirche. Ich kann einfach nicht verstehen, derart abgelehnt zu sein. Und das schlimmste Gefühl für mich war halt einfach auf Sex reduziert zu sein. Das kannte einer so reen wie er will, von wegen: Es ist ja nur Sünde, wenn man das auslebt. Nein, es ist eine komplette Ablehnung einer Person, weil es einfach zur Identität dazugehört."

Die eigene Mutter, die so oft von der Hölle gesprochen hatte, sei von seinem Outing zunächst schockiert gewesen, dann aber ganz Mutter, wie er sagt. Mutter Kirche nimmt ihn, den schwulen Sohn, nicht an. Matthias Helfen verfolgt vor allem Georg Bätzings öffentliche Worte zum Thema Homosexualität. Der Limburger Bischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz wird zu den Reformern gezählt, die Aussagen über Homosexualität im Katechismus sollten geändert werden, forderte er 2020 in einem Interview mit der Zeitschrift „Herder-Korrespondenz“, auf dem Synodalen Weg plädierte er für eine andere Sexualmoral.


"Zunehmende Bitterkeit"


Matthias Helfen schrieb seinem früheren Regens lange Mails, zuletzt im März/April 2022. Er wünscht sich, dass der Bischof auch seine konkrete Situation von 2001 neubewertet und nicht nur Homosexualität allgemein. Bätzing solle anerkennen, dass er ihm ganz persönlich Unrecht getan habe, schrieb er.

"Jeder ist anders. Jeder braucht etwas Anderes. Aber das kostet Zeit, das kostet Mühe, den anderen wirklich anzuhören. Und darum ging es mir jetzt eigentlich bei dieser Sache, dass ich bei Bätzing angefragt habe. Klar habe ich noch einen Hintergedanken dabeigehabt, eventuell, aber viel wichtiger auch für mein Gesunden war, von diesen Menschen, die damals beteiligt waren, gehört zu werden."


In einer Mail antwortete ihm Georg Bätzing, er nehme in den Zuschriften Helfens eine „zunehmende Bitterkeit“ wahr.

Zur damaligen Situation im Priesterseminar schreibt der Bischof, er habe nicht den Eindruck, Matthias Helfen sei damals in der Priesterausbildung Unrecht geschehen.


Gegenüber dem Deutschlandfunk benennt Bätzing klar, dass er die aktuelle Regelung für falsch hält, wonach homosexuelle von Weihe augeschlossen sind, Sein Pressesprecher teilt mit:

"Das Verbot des Vatikans, homosexuelle Menschen nicht zu Priestern zu weihen, findet Bischof Bätzing nicht richtig. Es führe zu einer Tabuisierung und zum Verschweigen."

Matthias Helfen bleibt die Anerkennung, nach der er sich sehnt, wohl dennoch verwehrt. Bätzings Formulierung „zunehmende Bitterkeit“ hat ihn besonders getroffen. Sie klingt so, als ging es um die Befindlichkeit eines verhinderten Priesters. Um einen bedauernswerten Einzelfall. Der ehemalige Seminarist fragt sich, was öffentliche Reformabsichtserklärungen wert sind, wenn sie die Bewertung seiner Geschichte nicht verändern.


Auf die Frage des Deutschlandfunks, ob es richtig ist, jemanden, der sich geoutet hat, vom Priesteramt auszuschließen, heimliche Homosexualität aber zu dulden, antwortet Georg Bätzings Pressesprecher:

"Ihre Frage, ob heimliche homosexuelle Beziehungen im Priesterseminar damals geduldet wurden, ist aus meiner Sicht widersprüchlich. Wie kann man als Verantwortlicher etwas dulden, von dem man nichts weiß? Grundsätzlich ist es aber so, dass heimliche Beziehungen eines Kandidaten einer ernsthaften Bereitschaft zur Klärung seiner Berufs- und Lebensentscheidung entgegen stehen."


Das 11. Gebot


Über das Spätberufenenseminar in Lantershofen erschien vor 10 Jahren ein Buch mit „Das 11. Gebot“. Autor und Ex-Seminarist Daniel Bühling schildert darin auch das homosexuelle Doppelleben vieler Kandidaten. Gemeint ist mit dem 11. Gebot das Schweigen, die Tabuisierung. Die Leitung von St. Lambert distanzierte sich öffentlich davon und warf Bühling vor, ein „höchst einseitiges Bild von seinen Mitstudenten und deren Problemen“ zu skizzieren.


Matthias Helfen hat lange gebraucht, um sich selbst anzunehmen. Mit der Institution, die ihn ablehnt, ist er längst noch nicht fertig.

„Dass dieses ganze System Kirche, dass das auf die Art und Weise Menschen verbiegt, um so zu sein, dass es halt passt. Dass einfaches Menschsein nicht erwünscht wird. Sondern man muss den Menschen ablegen und den Priester anziehen.“

Auch Bischöfe sind Priester.




Der Beitrag wurde am 20. September 2023 in der Deutschlandfunk-Sendung "Tag für Tag" gesendet: Das Audio ist hier nachzuhören:


Musik: Song for the Boys von Pat Metheny.

2.248 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Die Frage

bottom of page