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Der unbewegte Mann oder Es ist nicht so, wie du denkst

Schaue ich mir unbewegliche Männer in der katholischen Kirche an, fühle ich mich an den Kinoerfolg "Der bewegte Mann" erinnert. In einer Filmszene erwischt Doro, gespielt von Katja Riemann, ihren Liebsten inflagranti auf der Kneipentoilette. Sie schaut von oben auf die Szenerie in der Kabine, von unten tönt es herauf: "Doro, es ist nicht so, wie du vielleicht denkst." Til Schweiger spricht diesen legendären Satz.


Dr. Til Schweiger würde sagen: "Es hat den Anschein eines performativen Selbstwiderspruchs, aber es ist keiner."




Seit zehn Jahren befasse ich mich journalistisch unter unter anderem mit der katholischen Kirche und immer mal wieder kommt es vor, dass mir Kirchenmänner erklären: "Es ist nicht so, wie Sie denken." Das habe nichts mit Macht zu tun. Nichts mit Doppelmoral. Nichts mit Diskriminierung. Ich recherchierte dann weiter, und stelle fest: Es ist nicht nur genau so, es ist oft noch schlimmer.


Hochfest der Weiblichkeit


Als 2017 mein Buch erschien "Der Weiberaufstand. Warum Frauen in der katholischen Kirche mehr Macht brauchen", hörte ich von Geweihten: Macht gibt es nicht, alles ist Dienst. Mittlerweile hat ein Teil des Episkopats amtlich die Existenz von Macht ebenso wie die Existenz von Frauen anerkannt. Es gibt auf dem Synodalen Weg ein Forum Macht und es gibt eines zu Frauen in Machtpositionen der Kirche. Pardon, freudscher Verschreiber: "Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche" lautet die korrekte Bezeichnung.


Am Hochfest der Weiblichkeit, am 15. August, habe ich mir einige Predigten angehört. Viele Bischöfe bekunden in Interviews schon seit vielen Monaten, sie wollten über die Frauenfrage/Stellung der Frau/Rolle der Frau/Thematik Frau/das Gedöns nachdenken. Da dachte ich: Vielleicht hat das Nachdenken schon zu einem Ergebnis geführt.


Hängen geblieben bin ich beim Seufzermotiv eines Bischofs, über den überregional wenig berichtet wird: Helmut Dieser. Seit fast vier Jahren steht er an der Spitze des Bistums Aachen. Mit seiner Predigt zu Maria Himmelfahrt schaltet er sich in einen "geistlichen Kampf" ein, in den - hier kommt der Seufzer - "Streit um die Stellung der Frau".


Der einzige mit Mikrofon


Manchmal schwenkt die Streaming-Kamera in die Totale. Man sieht einen coronabedingt dünn besiedelten Aachener Dom, die Gemeinde sitzt unten, der Bischof spricht von einer erhöhten Position aus. Er ist der einzige mit Mikrofon, Roma locuta.


"Die Frau hat das Recht das Schafott zu besteigen, also muss sie auch das Recht haben, die Rednertribüne zu besteigen", forderte Olympe de Gouges, eine Märtyrerin des Feminismus im 18. Jahrhundert. Dass eine römisch-katholische Bischöfin zur Feier des Tages eine Rednertribüne in einem Dom bestiegen hätte, kann man auch im 21. Jahrhundert nicht behaupten.


Das Pontifikalamt ist zwar ein Gottes-Dienst, aber Mikro und Podium sind Machtinstrumente. Der geweihte Mann kann qua Amt, im Aachener Allmachtsambiente, alleine reden. Wortbeiträge von unten sind nicht vorgesehen und das zu einem Thema, das angeblich offen und auf Augenhöhe mit den Getauften und Gefirmten diskutiert wird.


Keine Macht, nur Dieser-Dienst? Zu besichtigen ist - in Aachen und anderswo - ein performativer Selbstwiderspruch. Der Bischof hat eine Machtposition und er nutzt sie, um zu sagen: "Doro, es ist nicht so, wie du denkst".


"Im geistlichen Kampf"


Nun gut, wer denken will, muss hören. Ich bleibe also dran. Es könnte sein, dass der Bischof aufgrund plausibler Argumentation eine Autorität für sich beanspruchen kann, die auf Überzeugungskraft beruht.


Es gebe ein Ringen um die Weiblichkeit, sagt Helmut Dieser. Es sei gut und sinnvoll, dass wir in unterschiedlichen Geschlechtern geschaffen sind. Er legt an dieser Stelle eine Verve in die Stimme, als habe jemand das Gegenteil behauptet. Tatsächlich bestreitet jedoch keine Seite im "geistlichen Kampf", dass es Menschen verschiedenen Geschlechts gibt - erst recht nicht die mutmaßliche Gegenseite. Die Forderung nach Gleichberechtigung wäre ohne die Tatsache der Verschiedenheit sogar ziemlich sinnlos. Wenn ich jetzt dächte, was ich denke, wie es ist, würde ich sagen: Der Bischof hat eine Pappkameradin auf den Altar befördert, eine Gegnerin, die er eigens geschaffen hat, um sie kippen zu lassen.


Danach zitiert er Autoritäten von Johannes Paul II. bis Franziskus, an deren Nein zur Priesterinnenweihe fühle er sich gebunden. Damit Doro nicht denkt, er gehorche ausschließlich aus Gehorsam, legt der Bischof dar, wie Berufung und Begabung des Weiblichen ganz und gar nicht als Nachteil erfahren werden. Mit "gläubiger Sensibilität" für die Unterschiedlichkeit der Geschlechter solle Übermacht der Männer über die Frauen - "manchmal auch der Frauen gegen die Männer" - einer "wechselseitigen Erfüllung" weichen. Im hohen Mikrofonton doziert der promovierte Theologe: "Gerechtigkeit heißt nicht, dass alles gleich wird, sondern das sich das verschiedene gleich und gerecht entfalten kann." Aber wer, außer den Diesers dieser Kirche, behauptet, dass Gleichberechtigung Gleichmacherei sein soll?


Der Duft der Charismen


Ich habe einen geweihten Mann mit zwei Pappkameradinnen erwischt. Zwei außerredliche intellektuelle Beziehungen in zwei Minuten, das ist eine filmreife Widersprüchlichkeits-Performance.


Zum Happy-Ende fehlt nur noch die Wortwolke "Charismen", denke ich so vor mich hin, das Parfum unter den klerikalen Muttertagsgeschenken. Tatsächlich überreicht Dieser auch noch dieses Duftpäcken, verbunden mit einem originellen Wunsch: die Kirche im Ganzen erkennbar zu machen als die Frau, die gebären soll.


Benebelt von diversen Charismen denke ich nichts mehr. Ich kapituliere vor der Übermacht. Sollte der Stoff als Kirchen-Komödie unter dem Titel "Gebärsollfrau 3" verfilmt werden, würde ich Til Schweiger für die Rolle des Bischofs vorschlagen.










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