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Verdächtig, aber nicht verboten: Der Prüf-Fall Frau

Impuls zu einem Abend "Weiberaufstand – wie ist der Stand?"

Kfd Aachen, 23. Mai 2024, 19 Uhr

 

Als wüsste sie von meinem Vortrag heute hier in Aachen, antwortete Päpstin Franziska vor wenigen Tagen auf die Frage eines kleinen Jungen, ob er jemals zum Diakon geweiht werde: „Männer sind großartig im Dienst als Mann, aber nicht im Dienst mit Weihe.“ Ein Nein also. Diakone wird es nicht geben.


Einige von Ihnen erinnern sich vermutlich an das Dokument „Ordinatio Sacerdotalis“, das Päpstin Johanna Paula gestern vor 30 Jahren veröffentlichte, am 22. Mai 1994, am Hochfest Pfingsten. Darin stand: „Die Kirche ist nicht befugt, Männer zu Priestern zu weihen.“


"Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken", hieß ein  Bestseller aus demselben Jahrzehnt, von 1998. Die damals beliebten Erklärungen - Männer sind so, Frauen sind so, Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus, um einen anderen Erfolgstitel zu nennen - schienen in die Jahre gekommen zu sein. Jetzt leben sie in der Bewegung der Trad-Wife wieder auf. Influencerinnen zeigen, wie glücklich sie sind, weil sie ihren Lebenszweck darin sehen, ihrem Mann eine ebenso putzige wie putzende Gemahlin zu sein.




Die römisch-katholische Kirche setzt schon lange auf Maria als Influencerin, mit Trad-Wifes kennt sie sich aus. Okay, mittlerweile tun geweihte Männer so, als könnten sie doch zuhören. Zuhören ist das Zauberwort an runden Tischen in der Synodenaula. Den Chef-Parkplatz kriegen die Weiber noch immer nicht, den bekommen nur Männer mit Weiheamt. Ganz egal, ob sie einen Führerschein haben und in drei Zügen ohne Kollateralschaden in die engste Parklücke kommen: Isstebensowarsobleibtso. IstauchbesserfürdieFrauen. Frauen dürfen diesen Platz nicht einmal wollen.


Das Grundgesetz


Heute vor 75 Jahren ist das Grundgesetz in Kraft getreten. In Artikel 3 Absatz 2 steht nicht: Männer sind so, Frauen sind so. Da steht: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Dass dieser Artikel ins Grundgesetz kam, war keineswegs selbstverständlich. Im Parlamentarischen Rat wurde zunächst ein anderer Entwurf favorisiert: „Männer und Frauen haben dieselben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten“, hätte es heißen sollen. Das hätte kaum mehr bedeutet als das Frauenwahlrecht.


Der SPD-Politikerin Elisabeth Selbert, einer Juristin, reichten staatsbürgerliche Rechte nicht. Sie wollte, dass Frauen auch im Bürgerlichen Recht gleichberechtigt werden. Das war ein weiter Weg, die Anpassung des Bürgerlichen Rechts hätte 1953 erfolgen sollen, dauerte dann bis 1957 und draüber hinaus. Besonders umstritten war 1957 der sogenannte Stichentscheid des Mannes in der Ehe. Zunächst einmal war es 1949 jedoch wichtig, überhaupt eine Mehrheit für den Grundgesetzartikel zu organisieren und damit das Ziel zu formulieren.  Das gelang.


Profilierte katholischen Politikerinnen wie Helene Weber waren zunächst dagegen, sie befürchteten einen Kampf Frau gegen Mann. Die christlich geprägten Politiker mussten erst davon überzeugt werden, dass ein solcher Satz nicht gegen das Heilige-Familienideal verstößt. Manche Wortmeldungen im Parlamentarischen Rat hören sich wie ein Pontifikalamt an, in dem Männer Frauen über die göttliche Ordnung belehren.


Das ewige Ei


Apropos göttlich. Vor 30 Jahren – ich habe es eingangs persifliert - ließ sich der Heilige Geist auf Papst Johannes Paul II. besonders nachhaltig nieder. Die Taube legte ein ewig- und endgültiges Ei namens „Ordinatio Sacerdotalis“. Abgesehen vom Inhalt ist die Haltung wichtig. Es war ein päpstliches Machtwort im Ohnmachtsgestus. Die Wahl des Pfingsttages soll zeigen: Nicht der Pontifex hat entschieden, er wurde entschieden, von ganz oben. Anders als im Parlamentarischen Rat gab es nichts abzustimmen. Wahrheit ist nicht Mehrheit.


Unbescheiden füge ich noch ein drittes Jubiläum an: Vor sieben Jahren erschien mein kleines lila Buch „Der Weiberaufstand“. Es erzählt von einem Aufstand, den es im Mai 2017 nicht gab und den es heute nicht gibt. Es umkreist einen Satz, der in der römisch-katholischen Lehre nach wie vor nicht gilt: Alle Geschlechter sind gleichberechtigt. Diese Aussage steht auch nicht in dem neuen Dokument aus Rom, das laut Selbstbezeichnung „unendliche“ Würdemaßstäbe setzen will.

Um zu beantworten, wie es weitergeht, möchte ich erst einmal erzählen, wie es anfing:


Warum Weiberaufstand?


Meine Oma sprach noch das „Gegrüßet seist du, Maria“ mit der Zeile: „Du bist gebenedeit unter den Weibern“. Sie war im Bewusstsein aufgewachsen, dass Frausein Sünde ist, dass Sexualität Sünde ist. Sexualität hat sie in Kauf genommen, um Kinder zu bekommen – meine Großeltern hatten sieben. Das Ideal war Keuschheit auch in der Ehe. Weib war ein abwertendes Wort, eine Abgrenzug zur reinen Jungfrau Maria.


Zwei Generationen später war das anders. Frauenbewegte gründeten Weiberräte, sie machten sich das abwertende W-Wort zu eigen als Zeichen von Selbstbestimmung. Gefühlt veränderte sich auch in der römisch-katholischen Kirche ein bisschen: Ich bin in der Zeit nach dem vatikanischen Konzil sozialisiert worden, meiner Ursulinenschule in Hersel habe ich als Kind aus einfachen Verhältnisse viel zu verdanken. Ich könnte nicht behaupten, dass wir vor allem zu einem Dasein als Trad-Wife erzogen wurden. Sie sehen ja, was rauskommt, wenn man Mädchen Bücher lesen lässt.


Auch in dieser Aufbruchsstimmung konnte Mädchen und Frauen nicht entgehen, dass mit ihnen etwas anders sein soll. Obwohl sie nicht mehr Weib genannt wurde, merkte früher oder später jede, die sich in der Kirche engagierte: Es gibt geschlechtsspezifische Grenzen des Möglichen, des Vorstellbaren. Es gibt eine Rolle, aus der ein Mädchen nicht fallen darf. Damit meine ich nicht allein die Weihefrage, auch nicht das Messdienerinnen-Thema. Ich meine das Habituelle. Dankbar, dienstbar, demütig, bittend, nicht fordernd soll ein Mädchen sein. Fordern ist aggressiv. Beharrlichkeit ist Verbissenheit. Und verbissene Frauen wollen Männer nicht als Gemahlin. SIE darf sich nichts nehmen, nur annehmen, sagt Simone de Beauvoir in „Das andere Geschlecht“.


Lob für die dienstbaren Geister


Dieses Anderssein haben Katholikinnen so verinnerlicht, dass es ihnen nicht mehr auffällt. Der Mann ist die Norm, die Frau die Abweichung – das ist der Normalzustand, damit bin ich aufgewachsen, auch in der ach so aufbrüchigen Nachkonzilszeit. Diese Geschlechter-Ordnung hat das Konzil nicht aufgebrochen. Papst Johannes XXIII. setzte mit seiner Schrift „Pacem in Terris“ zwar einen hohen Ton, die Frauen galten damit nicht mehr offiziell als minderwertige Wesen. Ein päpstliches Lob für die dienstbaren Geister, die Geschlechtsgenossinnen Marias, ist allerdings auch eine Form der Herablassung.


Für mich gab dieser Normalbetrieb ganz oben und an der Basis den Impuls, den „Weiberaufstand“ zu schreiben. Ich wollte wissen: Was ist da eigentlich los? Warum ist das so? Warum fällt mir das so spät als Problem auf?


Keinesfalls wollte ich ein Buch schreiben über die Rolle der Frau/Stellung der Frau/Frauen und Amt. Das gab es alles schon. Auch Initiativen wie der Lila Stola und der Bewegung um Ida Raming wollte ich keine Konkurrenz machen. Mir ging es um etwas Anderes: Ich wollte unterhaltsam, scharf und gut verständlich die selbstverständlichen Unverschämtheiten und ihre lehramtlichen Hintergründe darstellen.


Mir erzählten zum Beispiel, Pastoralreferentinnen, wie ihnen der Priester verboten habe, sich am Altar zu zeigen, als sie schwanger waren. Mir erzählten ältere Frauen, wie sie im Beichtstuhl ständig nach der Geschlechtsverkehrsfrequenz und der Verhütung befragt wurden. Mir erzählten Ehefrauen, wie ihnen Priester rieten, für die Rückkehr ihres notorisch fremdgehenden Mannes zu beten. Wenn er sie weiter betrog, waren sie selbst schuld.

Kinderlose Frauen berichteten, sie würden wie defizitäre Wesen behandelt. Und tatsächlich: Nach der Geburt unseres ersten Kindes gratulierten mir einige katholische Männer im Ernst zur "Vollendung meiner Weiblichkeit". Das fand ich 2002 verstörend, 2017 hörte ich: Die hat bestimmt keinen Mann abbekommen oder warum schreibt die sonst solche Bücher?


Hochamt und Hochgefühl


Für das Buch habe ich mit vielen Frauen gesprochen, unterschiedlichen Alters, mit unterschiedlichen Temperamenten und in unterschiedlichen Tätigkeiten. Mit Frauen, die sagten, ohne Hochwürden käme in ihnen kein Hochamtsgefühl auf. Und mit Frauen, die Kurse zur Diakoninnenvorbereitung besucht hatten. Auffallend war, dass viele kritische Katholikinnen den Eindruck hatten, die Einzige zu sein. Wenn sie widersprachen, bekamen sie von Klerikern zurückgespiegelt: Mit ihnen stimme etwas nicht, sie seien entweder zu empfindlich und zu gefühlig oder zu hysterisch und zu hormongesteuert. Widerspruch galt als „Widerworte geben“, als wären Frauen Kinder, die ihre Suppe nicht auslöffeln wollten.  


Für mein Schreiben war nicht nur das Zuhören wichtig, auch das Lesen der offiziellen Texte. Viele sagen: Rom ist weit weg, Papier ist geduldig. Das stimmt nicht. Ich rate jedem und vor allem jeder, einige zentrale Texte zu lesen, um zu wissen, was Frauen über ihr Frausein glauben sollen.


Das lila Buch beginnt damit, dass Papst Franziskus 2016 eine Diakoninnenmöglichkeitsprüfungskommission einberufen hat. Sein Vorgänger Benedikt hatte auch schon eine solche Kommission einberufen, Franziskus hat nach der 396. noch eine 397. Diakoninnenmöglichkeitsprüfungskommission einberufen. Jetzt stellt er nach so viel Berufungsprüfungseinberufung per Interview klar: Es wird keine Diakoninnen geben.  


Der Verfassungsschutz kann Parteien zum Prüf-Fall erklären. In der römisch-katholischen Kirche sind Frauen ein Dauer-Prüf-Fall. Sie sind nicht verboten, aber verdächtig. Die Herren untersuchen die Weiber seit vielen hundert Jahren, um Schaden von der Kirche abzuwenden. Thomas von Aquin konnte sich die Zeugung eines Mädchens nur mit ungünstigen Winden zum Zeitpunkt der Zeugung erklären. Die Frau war als defizitärer Mann durchgefallen.


Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wird die Frauenverachtung in Hochachtung gewandelt. Der katholische Mensch muss glauben, dass Frauen dankbarer, dienender, aufopferungsvoller sind als Männer. Päpste wie Johannes Paul II. priesen permanent den Genius der Frau.


Einer meiner Lieblingstexte ist eine Art Brief-Meditation von Johannes Paul II. „Dank sei dir, Frau als Mutter die du dich in der Freude und im Schmerz einer einzigartigen Erfahrung zum Mutterschoß des Menschen machst, die du für das Kind, das zur Welt kommt, zum Lächeln Gottes wirst, die du seine ersten Schritte lenkst, es bei seinem Heranwachsen betreust und zum Bezugspunkt auf seinem weiteren Lebensweg wirst.

Dank sei dir, Frau als Braut, die du dein Schicksal unwiderruflich an das eines Mannes bindest, in einer Beziehung gegenseitiger Hingabe im Dienst an der Gemeinsamkeit und am Leben.“


Das geht dann noch weiter mit Tochter, caritativ berufstätiger Frau … Komischerweise fehlt die entsprechende Meditation über die Rolle des Mannes.


Die tiefgründige Intuition des Weibes


Joseph Ratzinger war auch ein emsiger Frauenprüfer, zeitweise habe ich jeden Morgen einen Text der Glaubenskongregation gelesen. Da findet man dann so wegweisende Papiere wie den Brief an die Bischöfe von 2004. Darin warnt Präfekt Ratzinger Frauen vor der Macht. Und er erweist sich als Kenner der weiblichen Intuition: „Trotz der Tatsache, dass eine gewisse Strömung des Feminismus Ansprüche 'für sie selber' einfordert, bewahrt die Frau doch die tiefgründige Intuition, dass das Beste ihres Lebens darin besteht, sich für das Wohl des anderen einzusetzen, für sein Wachstum, für seinen Schutz.“ Die Frau sei auch ohne Weihe für die Herzmitte der Kirche verantwortlich. Im Umkehrschluss heißt das: Wenn sie die ihr zugewiesene Rolle verlässt, dann bricht die Gesellschaft zusammen und die Kirche verliert ihre Herzmitte. Das Weib ist schuld.  


Sein Nachfolger Franziskus wiederum sieht sich als Experte für den Heiligen Geist der Unterscheidung. Er hat das marianische und das petrinische Prinzip aus dem Taubenei schlüpfen lassen, die geistliche Variante von Zuhören, Einparken, Mars und Venus. An Neujahr 2024 erklärte er: “Unsere friedlosen Zeiten brauchen eine Mutter, die die Menschheitsfamilie wieder eint.” Die Welt habe es nötig, "auf die Mütter und Frauen zu schauen, um Frieden zu finden, um aus den Spiralen der Gewalt und des Hasses auszubrechen und wieder einen menschlichen Blick und ein sehendes Herz zu erlangen.”


Und jetzt sagt er in einem Interview: "Frauen sind großartig als Frauen, aber nicht großartig mit Weihe."


Im neuen Dokument des Glaubensdikasteriums mit dem Titel „unendliche Würde“ wird allen Menschen dieselbe ontologische Würde zugestanden. Zugleich ist aber völlig klar, dass die römisch-katholische Anthropologie festlegt, wie die sittliche Würde am besten zur Entfaltung kommt: „Die wichtigste Sinngebung ist an die ontologische Würde gebunden, die der Person als solcher allein durch die Tatsache zukommt, dass sie existiert und von Gott gewollt, geschaffen und geliebt ist. Diese Würde kann niemals ausgelöscht werden und bleibt über alle Umstände hinaus gültig, in denen sich der Einzelne befinden kann. Wenn wir dagegen von sittlicher Würde sprechen, beziehen wir uns vielmehr auf die Ausübung der Freiheit durch das menschliche Geschöpf. Dieses ist zwar mit einem Gewissen ausgestattet, bleibt aber immer offen für die Möglichkeit, gegen dieses Gewissen zu handeln. Damit verhält sich der Mensch in einer Weise, die seiner Natur als von Gott geliebtes und zur Liebe zu seinen Brüdern und Schwestern berufenes Geschöpf „unwürdig ist.“


Destruktives Misstrauensvotum


Was die Natur, was Gott für die Frau vorgesehen hat und was nicht, weiß das Lehramt. Auf dem Frauenparkplatz können sie ihre sitzliche Würde entfalten. Das ist ein konstitutiver Gedanke, der die Verfassung der römisch-katholischen Kirche prägt, und keineswegs nur ein Trad-Wife-Dekoschleifchen. Römisch-katholisch sein heißt: glauben, dass Frauen ein anderes Wesen haben als Männer, dass aus diesem Wesen eine bestimmte Bestimmung folgt und dass es geweihte Männer sind, die diese bestimmte Bestimmung bestimmen. Daran hat sich nichts geändert.


Liest man die genannten Texte, fällt auf, dass das, was Würde der Frau genannt wird, an konkrete Gewinnerwartungen gebunden ist. Frauen werden geprüft, für unbegrenzt gefährlich und für begrenzt nützlich befunden.

Frauen sind angeblich mütterlich, friedlich und karitativ, sie erkennen aber nicht immer von selbst ihre göttlich gegebenen Aufgaben, deshalb müssen ihnen die Stellvertreter Gottes diese weibliche Intuition regelmäßig einbimsen.


Was als Lob oder Kompliment daherkommt, ist ein destruktives Misstrauensvotum, ein permanenter Verdachtsfall. Eine Würde im Konjunktiv.


Ein Kernkapitel des Buches heißt: „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz.“, darin schildere ich eine Begegnung mit einem Priesteramtskandidaten in einem katholischen Tagungshaus. Pfefferminzprinz habe ich ihn genannt, weil er einen Hammersatz sagte und dabei in ein Käsebrot biss, das er mit den in Tagungshäusern beliebten Pfefferminztee hinunterspülte. Er sagte: „Wenn Frauen geweiht werden, dann wäre das ein Verrat an der römisch-katholischen Kirche.“


Als ich über die aktuelle Priesterstudie des Zentrums für angewandte Pastoraltheologie ZAP las, fiel mir mein Pfefferminzprinz wieder ein. Aus dem Kandidaten wurde bestimmt ein geweihter Mann, und von diesen Priesterprinzen gibt es laut Studie viele. Er zeigt ein Profil, das auf Person und Spiritualität setzt, heißt es. 

Bezeichnend ist, dass Prinzen Gleichberechtigung unter „Reformthemen“ verbuchen. Ich weiß nicht, welches Kräutlein in den katholischen Pfefferminztees drin gewesen ist. Irgendetwas Benebelndes muss es sein.

Um klar einzuschenken: Gleichberechtigung ist kein Reformthema, Frauen sind kein Reformthema. Und Frauen sind auch keine Zeitgeisterscheinung. Es gibt sie schon länger als es Priester gibt, es gibt sie schon länger als es römische Priesterkragen gibt und es gibt sie länger als es Bischöfe gibt. Wir gehen nicht wieder weg. Wir gehen bloß aus der Kirche.


Sollte das Wort Pfefferminzprinz als abwertend empfunden werden, dann kann ich zu meiner Entschuldigung sagen: Der Genius der Frau ist mit mir durchgegangen.

 

Der Weiberabstand

 

Weiberaufstand heißt: vom zugewiesenen Platz aufstehen. Widersprechen.

Das allerdings nicht so einfach, denn viele Katholikinnen haben ihn so verinnerlicht, dass man ihn gar nicht markieren muss. Sie nehmen ihn von sich aus ein.

Wenn Sie sich mit dem Thema Gleichberechtigung befassen, machen Sie die Erfahrung, dass nicht mal alle Frauen für Gleichberechtigung sind. Männer sowieso nicht.

Das ist nichts spezifisch Kirchliches, wie der Parlamentarische Rat oder der Kampf für das Frauenwahlrecht zeigt. In der römisch-katholischen Kirche hat die De-Solidarisierung System.  

Erster De-Solidarisierungssatz: Ich bin doch gar nicht diskriminiert.

Der Satz stimmt, wenn ich verinnerlicht habe: Ich werde als Frau gerechtfertigt ungleich behandelt. Das ist die Lehre. Der Satz stimmt nicht, wenn ich eine sozialwissenschaftlich gängige Definition von Diskriminierung anwende, nämlich die Benachteiligung eines Individuums aufgrund gruppenbezogener Merkmale. Frauen werden bestimmte Aufgaben zugeteilt und ihnen werden bestimmte Möglichkeiten verbaut, allein weil sie Frau sind. In der katholischen Lehre ist das wahre Gleichheit, in der Sozialwissenschaft glasklare Diskriminierung. Und zwar unabhängig davon, ob ich selbst diese Möglichkeit ergreifen will. Das Nein von Franziskus diskriminiert auch die Frauen, die nicht Diakonin werden wollen.


Das Mann-Weib


Damit verbunden ist der zweite Ent-Solidarisierungssatz: Gleichberechtigung ist Gleichmacherei! Vermännlichung! Diese Ratzingersche Drohkulisse wirkt immer noch. Sie lässt auf autoritäres Denken schließen, eine Möglichkeiten wird sofort zum Zwang umgedeutet.  Ich muss im Namen der Gleichberechtigung weder Päpstin werden wollen noch Bundeskanzlerin. Aber eine Frau sollte es werden können und nicht wegen ihres Geschlechts ausgeschlossen sein. Gleichmacherei ist eine klerikale Kopfgeburt, die einem als Tauben-Ei des Heiligen Geistes verkauft wird.


Dritter Ent-Solidarisierungssatz: Ich habe hier in der Gemeinde und in meinem Verband meine Nische, wir haben einen liberalen Priester, der lässt uns machen. Rom ist weit weg. Der Dauer-Frauenparkplatz ist extra breit. Was will ich mehr? Was will ich mit so abstrakten Forderungen nach Gleichberechtigung? Hier kann ich einen guten Ort schaffen.


Um nicht falsch verstanden zu werden:  Es ist wichtig, gute Orte zu schaffen. Nischen braucht man aber in einem autoritären System, in einem freiheitlichen braucht man sie nicht. Ent-Solidarisierung kommt auch dadurch zustande, dass gerade Frauen sich in falsche Alternativen treiben lassen. Eine Nische ist kein Ersatz für Gleichberechtigung, sie ist auch keine Gegenposition, sie ist etwas Anderes. Es braucht Ruhezonen, Schutzzonen, Räume des freien Worte und es braucht die Forderung, den Streit und die Streitbaren. Die Nische macht das Engagement für Gleichberechtigung auf großer Bühne nicht überflüssig.  


"Wissen die Frauen, wie rechtlos sie sind?"


In Trippelschrittchen auf Filzsocken ist Gleichberechtigung nicht zu erreichen. Als im Grundgesetz 1949 stand „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, war das Zivilrecht noch diskriminierend. Aber hätte dieser Satz nicht Verfassungsrang, so wären Änderungen im Familienrecht, im Scheidungsrechts bis hin zur Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe – erst 1998 - gar nicht erfolgt. Da hätte ich wahrscheinlich im Februar noch die Unterschrift meines Mannes gebraucht, um Abteilungsleiterin zu werden.


Es war 1949 wichtig, dass Elisabeth Selbert ums Ganze kämpfte. Sie zeigte sich nicht etwa demütig dankbar, nachdem das Grundgesetz verabschiedet war. Sie fragte in einer Radioansprache: „Wissen die Frauen eigentlich, wie rechtlos sie sind?" Ihr war klar, dass der Grund-Satz erst der Anfang war. Elisabeth Selbert verband große Sachkenntnis mit einem großen Traum.  


Für die römisch-katholische Kirche heißt das: Ohne eine Änderung der Lehre ist Gleichberechtigung nicht zu haben. Pragmatismus ist zu wenig.  


Geduld, meine Damen


Der vierte Ent-Solidarisierungssatz lautet: „Unser Bischof ist doch ein Guter“. Vor wenigen Tagen sagte der als Reformer geltende Erzbischon von Luxemburg Jean Claude Hollerich zum Frauendings: "Wenn man zu groß angreift, wird man nicht viel erreichen. Man muss behutsam sein, einen Schritt nach dem anderen machen, und dann kann man vielleicht sehr weit gehen." Der Kardinal warnte vor übertriebener Ungeduld, Demonstrationen seien nicht das richtige Mittel, um etwas zu verändern. Das würde "zu einer Polarisierung und schlussendlich zum Tod der Kirche führen". Die anstehenden Fragen müssten ausführlich und umfassend diskutiert werden. Sonst bestehe die Gefahr, dass „die Frauenfrage“ als etwas gesehen werde, das "von liberalen Katholiken durchgeboxt werden will". Es brauche "Taktgefühl und Geduld, wenn man wirkliche Lösungen haben möchte".

Da sind sie wieder, die Zeitgeist-Frauen, das Weib als Reformthema.


Der Kardinal sagt mit anderen Worten: Stellt euch hinten an. Wartet auf die  798. Diakonninenmöglichkeitsprüfungskommission. Wer boxt, anstatt brav Bittchen vorzubringen, ist dann auch noch für den Tod der Kirche verantwortlich. Das ist sehr nah an Ratzingers Szenario, wonach Kirche und Gesellschaft kollabieren, wenn die Weiber aus der Rolle fallen.  



Die Falltür zur Hölle


Katholikinnen fallen in die Rolle oder besser gesagt: Sie fliegen auf Bischöfe, die sich als Frauenversteher inszenieren. Professorinnen werden zum Kommunionkind, wenn ein liberaler Kardinal den Raum betritt.  Immer wieder peinlich berührt bin ich, wenn Frauengruppen ihre Termine beim Bischof stolz in einer Fotoserie dokumentieren und das männliche Zuhören belobigt und zelebriert wird. Ein Zuhören, dem nichts folgt, war kein aktives Zuhören, das lernt man in jedem Kommunikationsseminar.

Wenn Bischöfe Frauen zur Geduld ermahnen, dann ist das auch Platzanweiserverhalten. Das „Sitz-Platz-Still!“ wird nicht gebrüllt, es wird mit einem Lächeln auf den Lippen gesäuselt. Frauen machen das mit. Wahrscheinlich glauben viele wirklich, dass Bischöfe von Gott selbst eingesetzt sind, dass sie in der apostolischen Sukzession stehen, dass diese institutionelle Ordnung göttlich ist.  


Ich glaube das nicht, auch das war für mich ein Grund, aus der Kirche auszutreten.


Manchmal denke ich, dass tief in ihrem Inneren viele Katholikinnen befürchten, dass sich die Falltür zur Hölle öffnet, wenn sie an diesem Organisationsprinzip der römisch-katholischen Kirche zweifeln.


Ich könnte noch mehr Ent-Solidarisierungssätze anfügen. Es gibt allen Papieren, Aktionen und Synodalen Runden zum Trotz keine Solidarität der Frauen im Frauendings. Teile und herrsche – geteilt werden und sich beherrschen lassen - mit Betonung auf Herr – das lässt sich an Katholikinnen wunderbar studieren. Ein Aufstand wird allenfalls geprobt, nie aufgeführt. Dass der nette Bischof böse guckt, ist schwer erträglich.

 

Was tun?


Das kleine lila Buch hat es auf drei Auflagen gebracht, 150 Lesungen und Diskussionsabende gab es dazu. Aus der Nachfrage schließe ich, dass viele es mit Gewinn gelesen haben. Diese Resonanz gibt mir Kraft, denn Buchschreiben – das klingt jetzt pathetisch – ist eine einsame Sache. Ich bin eine einzelne Stimme, sehe mich nicht in einem großen Chor aufgehoben.


Viel Energie beziehe ich auch aus den vielen aberwitzigen Reaktionen. Sie zeigen: Dieses ganz neue Dingens namens Frau triggert offenbar immer noch.


Ich liebe zum Beispiel die aberwitzige Frage: Wollten Sie selbst Priesterin werden? Antworte ich – wahrheitswidrig – mit Ja, ist klar: Na, die hat das ja bloß für sich geschrieben, aus egoistischem Interesse! Antworte ich wahrheitsgemäß mit Nein, ernte ich als Reaktion: Warum schreiben Sie denn dann ein Buch darüber?


Ich liebe es, wenn mir bei Lesungen Männer erklären, die wahre Gleichberechtigung sei mit der Aufhebung des Zölibats erreicht, dann könne die Frau Priestergattin werden und habe einen weit größeren Einfluss, als wenn sie selbst geweiht sei. Reinhard Marx dachte im Februar 2022 in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung darüber nach, den Zölibat freizustellen: „Nicht nur aus sexuellen Gründen, sondern weil es für ihr Leben besser wäre und sie nicht einsam wären“.


Das Weib wurde geprüft und für nützlich befunden.


Ich liebe es, wenn mich katholische Bloggerinnen belehren, Frauen könnten Kinder gebären, deshalb dürften Männer Priester werden.


Der Theologe Karl-Heinz Menke sagte vor zwei Jahren in einem Vortrag in einer Bonner Gemeinde, er gestehe, dass die Argumente gegen die Frauenweihe nicht völlig plausibel seien, aber er sei sich sicher, dass DAS Argument noch gefunden werden.


Ich bin Franziskus dankbar


Aberwitz ist einen erneuerbare Energie, im Kern sind solche Reaktionen aber weder komisch noch kurios. Diskriminierung, Frauenverachtung schlecht getarnt als Hochachtung, all das geht einfach weiter. Und vor allem: Das geschieht mit voller Absicht – und bei vollem Verstand. Das absolutistische Ordnungssystem, das auf der Ständeordnung und der Geschlechterordnung basiert, bietet Halt, viele profitieren davon, keineswegs nur in Ländern, in denen Priestertum noch mit hohem Ansehen, mit Hochwürdentum versehen ist, auch in Deutschland ist das ein exklusiver Stand.


Normalität ist etwas Gemachtes. Die römisch-katholische Normalität ist gemacht und nicht vom Himmel gefallen. Diese Machtverhältnisse sind beabsichtigt. Wegen dieser Absicht ist Nachsicht mit den Diskriminierern unangebracht. Diejenigen, die etwas zu entscheiden haben, haben entschieden, dass es ist wie es ist. Ein Ende der Diskriminierung verändert die Machtverhältnisse.  


Es fällt mir schwer, das d-Wort über die Lippen zu bringen, aber ich bin Franziskus dankbar, dass er der Selbsttäuschung ein Ende gemacht hat. Damit hört hoffentlich der Missbrauch des Wortes Hoffnung auf.


Aufstand heißt nun nicht, mit Mistgabeln gen Rom zu ziehen. Ich glaube, es braucht erst einmal die Auseinandersetzung mit sich selbst.


Wesenswürde, weibliche Bestimmung – glauben Sie das wirklich? Und wenn Sie es nicht glauben, was folgt daraus?


Glauben Sie wirklich, dass Bischöfe besonders berufen sind? Warten Sie auf den guten Bischof?


Andere Blickrichtung: Was würde sich weltweit ändern, wenn der Global Player römisch-katholische Kirche den Satz: „Alle Geschlechter sind gleichberechtigt“ aussprechen, niederschreiben und dafür streiten würde? Ich glaube: Es ginge Frauen weltweit besser. Päpstliche Aussagen gegen Gewalt und Ausbeutung sind unglaubwürdig, wenn immer noch das Bild des marianischen, duldsamen Magd höchstoffiziell verkündet wird. Der Satz mit der Gleichberechtigung steht im Grundgesetz so weit vorne, bei den Grundrechten, weil er existenziell ist.


Elisabeth Selbert hat die Ungerechtigkeit benannt, sie hat den großen Traum behalten und mit großer Sachkenntnis verbunden.


Genau das bleibt zu tun: Kürzlich schrieb mir eine aus Ihrem Kreis, aus der Aachener kfd, per Mail eine sehr schöne Definition von Aufstand mit Verstand. Das ist kein Abarbeiten an der Kirche, das ist die Arbeit daran, dass Gerechtigkeitsgedanken nicht aus der Welt verschwinden.


Weiberaufstand heißt:  aufrichtig argumentieren und standhaft bleiben.

 

 

 

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