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Silberhochzeit aus Stahlbeton


Heute wird das päpstliche Schreiben Ordinatio Sacerdotalis 25 Jahre alt. Jeder katholische Mensch ist, ob frei- oder widerwillig, mit dem Mann in Rom liiert. Wäre es eine Ehe zwischen "Ordinatio Sacerdotalis" und mir, so begingen wir heute Silberhochzeit. Wobei das Silber stark ins Grau hinüberspielt.

An jenem 22. Mai 1994 feierte die Christenheit Pfingsten. Der Heilige Geist muss an diesem Tag über den Vatikan im Aggregatzustand des Stahlbetons herab gekommen sein. Die katholische Kirche ist nicht befugt, Frauen zu Priesterinnen zu weihen! Niemals! Das war die Pfingst-Botschaft des Papstes. Hätte Johannes Paul II. den Raumausstatter aus Loriots Film "Ödipussi" um einen passenden Einband für sein Schreiben gebeten, der Fachmann hätte wohl aus seinen 28 Shades of Grey die Schattierung "zementgrau" gewählt, mit Einsprengseln in Asch- und Bleigrau.

Seit dem Pfingsttag 1994 rennen alle, die Gleichberechtigung der Geschlechter fordern, mit dem Kopf gegen eine Betonmauer. Seitdem müssen sie sich anhören: Du willst mit dem Kopf durch die Wand! Das bedeutet: Mit dir stimmt was nicht!

Ich sehe das bekanntermaßen umgekehrt. Nicht der Kopf ist das Problem, sondern die Wand.

Wer sein Hirn mit staatsbürgerlichem Wissen gefüttert hat, lernt die schlichte Formulierung des Grundgesetzes zu schätzen. Da heißt es: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Klingt mausgrau, ist aber ein Glanzstück.

In katholischen Grundsatzdokumenten wird behauptet: Männer und Frauen sind gleichwertig, aber nicht gleichartig. Klingt nach funkelndem Feinschliff, ist bei genauem Hinsehen aber aschgrau. Es bedeutet: Frauen haben nicht dieselben Rechte wie Männer, allein deshalb, weil sie Frauen sind. Sie werden von einem bestimmten Stand - dem Klerus - ausgeschlossen. Sie können sich dafür nicht durch Bildung qualifizieren, sie sind von Natur aus unqualifiziert. Nach weltlichen Maßstäben ist das Diskriminierung, nach katholischen ist das "wahre Gleichheit". Flugs wird durch den Zusatz "wahr" aus dem aschgrauen Etwas dann doch fein poliertes Tafelsilber.

Geh doch rüber

Der Vatikan hat in den 1970er Jahren den Fehler gemacht, eine vernünftige Diskussion über die "Frauenfrage" zu simulieren. Er hat Theologie und Bibelwissenschaft um Rat gefragt und deren Argumente für eine Gleichberechtigung von Frauen mit Argumenten für die Beibehaltung des Status Quo gekontert. So kam es zu Begründungsfiguren der Sorte: Jesus war ein Mann, die Apostel waren Männer, die Tradition war nie anders. In einer Ehe würde man sagen: Schatz, seh es doch ein! Damit war 1994 Schluss. Johannes Paul II. gaukelte nicht einmal mehr eine Debatte vor. Er verfügte: Isso, warso, wirdsobleibenimmerdar. Gehorcht endlich! Ein Machtwort, ein Nein-Wort, vom päpstlichen Autor selbst als Akt der Demut inszeniert.

Dank der Aktion Maria 2.0 tritt just am Tag der Stahlbeton-Hochzeit besonders deutlich zutage, dass es auf Argumente nicht mehr ankommt. Aschfahle Autorität regiert und reagiert. Augsburgs Bischof Konrad Zdarsa hat sich heute nicht nur erwartbar von "Maria 2.0" distanziert. Er gibt auch zu bedenken, dass es jedem freistehe, „das Schiff der römisch-katholischen Kirche zu verlassen“. Weniger nautisch gesagt: Haut doch ab! Das erinnert an den Beton-Jargon der 1970er Jahre. Damals hörten linke Kritiker der Bundesrepublik den Satz: "Dann geh doch rüber, wenn es dir hier nicht passt." Rüber in die DDR, auf die andere Seite der Mauer.

Katholikinnen und Katholiken sind, zum Beispiel in der Bundesrepublik, auch Bürgerinnen und Bürger eines freien Landes. Viele sehen in der Ungleichbehandlung der Geschlechter einen Konflikt mit den Grundrechten, andere hingegen können kirchliche und staatsbürgerliche Existenz harmonisch verbinden. Vor einigen Tagen schrieb auf domradio.de die Sekretärin der nordischen Bischofskonferenz, die Ordensfrau Anna Mirijam Kaschner, warum sie sich "unwohl fühle" angesichts von Maria 2.0. Unter anderem argumentierte sie mit den Menschenrechten: "Es mutet seltsam an, dass die Forderung nach der Priesterweihe für Frauen von der KDFB-Präsidentin Maria Flachsbarth begründet wird mit dem Satz: 'Frauen sind nicht Christen zweiter Klasse, die ausschließlich eine dienende Rolle einnehmen'. Es geht aber bei der Weihe nicht um ein Menschenrecht und nicht um ein Machtinstrument. Der Priesterberuf ist eine Berufung, die von Gott kommt. Und diese Berufung ist eine Berufung zum Dienen."

Mit ihrem Gefühl stimmt was nicht

Die Weihe ist kein Menschenrecht, das stimmt. Allerdings behauptet auch niemand, sie sei eines. Die Argumentation ist anders: Da Frauen auch Menschen sind, haben sie ein Recht, dass ihre Berufung so geprüft wird wie die von Männern. Diese Gleichbehandlung aber wird verweigert - und zwar mit jener klerikalen Macht, die es laut Schwester Anna Mirijam Kaschner nicht gibt. In offiziellen Dokumenten wird behauptet: die Berufung zum Priesteramt sei das subjektive Empfinden der Frau. Auch das erinnert an Loriot, an das ergraute Ehepaar mit dem Frühstücksei. Und vor allem erinnert es an die hoheitliche Deutung des Gatten: Marta, mit deinem Gefühl stimmt was nicht.

Zur Stahlbetonhochzeit von "Ordinatio sacerdotalis" wünsche ich mir, ganz staatspolitisch graumäusig vernünftig, die ehrliche Zustandsbeschreibung, ohne Dienst- und Demutsbeteuerungen: Eine Diskriminierung ist eine Diskriminierung ist eine Diskriminierung. Die Diskriminierung der Frauen verschwindet nicht, bloß weil es Katholikinnen wie Kaschner und Co. gibt, die versichern: "Ich fühle mich nicht benachteiligt." Die Diskriminierung verschwindet erst, wenn die zementgraue Mauer fällt.

Um es in lila zu sagen: Bleibe so katholisch, dass ein bestimmter Bischof etwas dagegen hätte.

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