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AutorenbildChristiane Florin

Nessi taucht in Rom auf

Es ist Krieg, es regnet zu selten, es ist viel zu heiß. Aber irgendwie ist auch Sommerloch. Und so trocken kann es in Italien gar nicht sein, als dass nicht doch aus einem römischen Sumpfgebiet ein nicht näher benamstes Wesen Loch-Nessi-gleich das Haupt erheben würde.

Der Vatikan hat den Mund aufgemacht und das gezeigt, was er für Zähne hält. Die Schärfe bekommen nicht Putin oder Kyrill zu spüren, zum russischen Sonderweg gibt sich Nessi schnurrig. Nein, die Bissandeutung gilt dem Synodalen Weg in Deutschland.





Wir wollen doch nur spielen!


Seit kurzem stehen die neuesten Papiere des Synodalen Weges im Netz. Jede und jeder kann lesen, worüber die versammelten 230 Bischöfe und Laien auf der nächsten Etappe Anfang September diskutieren und abstimmen. Es steckt viel Arbeit darin, viel Liebe zur katholischen Kirche und viel Hoffnung, dass diese autoritäre Institution anders sein könnte als autoritär. Am Donnerstag hat der Vatikan auf dieses Textaufkommen mit 12 Zeilen reagiert. In Worten: 12.

Das Wesen, das im Sommerloch den Kopf rausstreckt, zeigt: Wer Macht hat, braucht keine Argumente. Kein einziger inhaltlicher Gedanke des Synodalen Weges wird aufgegriffen, statt dessen verkünden anonyme römische Verfasser, was offenkundig ist: Der Synodale Weg sei nicht befugt, so wörtlich, „die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten.“ Richtig fest beißt die römische Nessi-Variante noch nicht zu, sie klappert laut mit dem Gebiss. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und die Präsidentin des Zentralkomitees der Katholiken versichern ebenso aufgeschreckt wie unerschrocken: Wir wissen, was wir nicht dürfen. Wir wollen doch nur spielen!

Gute Reformer, böse Verweigerer


Es hätte der Sommersumpferscheinung nicht bedurft, um deutlich zu machen: Rom will keine institutionellen Reformen, keine Machtkontrolle, keine Gleichberechtigung der Geschlechter, nicht jetzt und auch nicht nach der 100. Synode. Die römisch-katholische Institution positioniert sich bewusst gegen Demokratien, Menschenrechte und Emanzipationsbewegungen. Denn viele profitieren vom Status Quo, in Rom und dem Erdkreis. Männer können hier leistungs- und verantwortungslos Karriere machen, solange sie sich auf klerikale Enthaltsamskeitsschwüre einlassen. Das ist eine ebenso zynische wie attraktive Alternative zu anstrengenden pluralen Aushandlungsprozessen.


Der Synodale Weg setzt die richtigen Themen, vor allem die Kritik an Macht und Machtmissbrauch ist zentral. Aber auch der Synodale Weg ist ein klerikales Gebilde. Die deutschen Bischöfe sind hier zu 100 Prozent vertreten, ihre Stimme zählt mehr als die der Laien, sie haben eine eigene Mehrheit. Die Vertreterinnen und Vertreter der 20 Millionen Gläubigen ohne Weihe haben sich mit einer Partizipationsattrappe abspeisen lassen, wie es der Kirchenrechtler Norbert Lüdecke treffend nennt. Die organisierten Laien trauen sich nicht, alle Bischöfe in Sachen Missbrauch zur Rechenschaft zu ziehen und eigene Wege zu gehen. Lieber unterscheiden sie in gute Reformer und böse Verweigerer. Auch dieser Co-Klerikalismus hat System. Im autoritären katholischen Gebilde sind nur die Hierarchen – also Bischöfe und Papst – überhaupt zu irgendetwas befugt. Deshalb müssen sich die Hoffnungen der Synodalen auf die angeblich guten Bischöfe und auf Franziskus richten, auch wenn der in fast 10 Jahren allenfalls Reformattrappen zustande gebracht hat.


Angstschweiß


Jene deutschen Bischöfe, die als gut gelten, haben noch nicht bewiesen, dass sie den Reformertitel verdienen. Sie wollen einerseits die letzten Kirchenliebenden in Deutschland nicht verlieren, anderseits möchte sie vom Heiligen Vater geliebt werden. Um ihr Amt müssten sie eigentlich nicht bangen, das klebt fest an ihnen und umgekehrt. Dennoch fürchten sich die hochwürdigsten Herren davor, zu streiten, zu kämpfen, etwas zu riskieren. Das römische Wesen riecht ihren Angstschweiß und kann beruhigt abtauchen.


Kommentar gesendet am 24. Juli 2022, 19.05 Uhr im Deutschlandfunk. Audio unter: Der Vatikan zeigt Zähne - das römische Loch Ness und der Synodale Weg (deutschlandfunk.de)

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