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Nein heißt nein heißt nein


Ich lese gern Texte der Glaubenskongregation. So viel Liebe zum Detail wie in römischen Dokumenten ist selten geworden in dieser immer oberflächlicher werdenden Wel... Pardon, ich werde geschwätzig. Nur noch ganz kurz: Zu meinen Lieblingsbeiträgen auf der Homepage gehört die "Note über die Banalisierung der Sexualität im Hinblick auf einige Textstellen aus 'Licht der Welt'" vom 22. Dezember 2010. Darin verkündet die Glaubenskongregation, was Papst Benedikt XVI. in dem Interviewbuch "Licht der Welt" NICHT verkündet hat. Er habe nicht gesagt, jeder Katholik dürfe Kondome benutzen, wie einige sprungbereit feindliche Medien sogleich behauptet hatten. Der Papst gestatte den Gebrauch aidsinfizierten Katholiken, die sich prostituieren. Der Unterschied zwischen Kinder verhüten und Krankheiten verhüten wird feinziseliert begründet.

Ganze neun Dokumente sind seitdem erschienen. In Worten: neun, verantwortet von den jeweiligen Präfekten William Joseph Levada (2005–2012), Gerhard Ludwig Müller (2012–2017) und Luis Ladaria (seit 2017). Soviel wie die drei zusammen schaffte Joseph Ratzinger in einem einzigen Jahr. Doch auch Glaubenshüter bleiben vom Zeitgeist nicht verschont, auch sie achten auf die Work-Life-Balance; mehr als ein grundlegendes Dokument per anno schien lange Zeit nicht drin. Müllers Balance-Bilanz liegt bei zwei in fünf Jahren. Da war viel Platz für Life.

Jetzt gibt es, wie KNA-Chefredakteur Ludwig Ring-Eifel auf katholisch.de jubelt, ein "Comeback der Glaubenskongregation". Gleich zwei Neins innerhalb von nur wenigen Tagen! Da siegt die Arbeit über das Leben.

Das Work zum Weib

Auf dieser lila Seite interessiert das römische Work zum Weib ganz besonders. Nachzulesen ist Ladarias Text nicht auf der Seite der offiziellen Dokumente der Glaubenskongregation, er wurde im Osservatore Romano veröffentlicht. Vielleicht scheut Ladaria den direkten Vergleich mit den raffinierten Beweisführungen seines Vorvorvorgängers. Kein intellektueller Spitzendeckchenkatholizismus mehr, statt dessen ein Workout katholischer Muskelpakete: Unfehlbar! Ex cathedra! Plan Christi! Person Christi! Männlichkeit! Noch Fragen?

Ja! Die Theologin Dorothea Sattler sagte in einem Interview mit katholisch.de sinngemäß: Früher war mehr Lametta. Da ließ der Vatikan noch etwas Argument-Ähnliches aufblitzen. Jetzt gilt: Nein heißt Nein heißt Nein. Etwas wortreicher im Ladaria-Originalton: "Es ist wichtig zu bekräftigen, dass sich die Unfehlbarkeit nicht nur auf feierliche Erklärungen durch ein Konzil oder auf päpstliche Definitionen ex cathedra bezieht, sondern auch auf das ordentliche und allgemeine Lehramt der in aller Welt verstreuten Bischöfe, wenn sie in Gemeinschaft untereinander und mit dem Papst die katholische Lehre als endgültig verpflichtend vortragen. Auf diese Unfehlbarkeit bezog sich Johannes Paul II. in Ordinatio sacerdotalis. Er verkündete also kein neues Dogma, sondern bekräftigte, um jeden Zweifel zu beseitigen, mit der ihm als Nachfolger Petri verliehenen Autorität in einer förmlichen Erklärung, was das ordentliche und allgemeine Lehramt in der ganzen Geschichte als zum Glaubensgut gehörend vorgetragen hat."

Der geoffenbarte Mann

Oft werde ich gefragt: Wann fängt denn nun der Weiberaufstand an? Dann antworte ich: "Weiberaufstand" fängt damit an, Behauptungen begründet zu widersprechen. In diesem Fall: Es trifft historisch nicht zu, dass die Verknüpfung von Christi Person mit seiner Männlichkeit Teil der "ganzen Geschichte" ist. Viele Jahrhunderte lang war die Unterlegenheit der Frau als Teil des Glaubensgutes selbstverständlich, ihre Minderwertigkeit begründete den Ausschluss von der Weihe. Die Männlichkeit war nicht der Rede wert - bis Frauen gleiche Rechte begehrten.

Nach katholischer Lehre verkörpert der Priester Christus. "In persona Christi" lautet die Lehrformel, Diese Formel ist alt, aber in "Inter insigniores" von 1976 wird erstmals ausdrücklich in diesem Zusammenhang erwähnt: Jesus war ein Mann. Mehr als 40 Jahre später ist das Männliche zum wichtigsten Persönlichkeitsmerkmal aufgestiegen. "Sein Mann-Sein ist ein unentbehrlicher Aspekt dieser sakramentalen Repräsentanz", schreibt Ladaria. En passant, im Ton des "So war es doch schon immer", jubelt Ladaria der Leserschaft eine Veränderung des Glaubensgutes unter: Das Geschlecht - oder besser: ein bestimmtes Geschlecht - ist nicht nur ein Aspekt der Person Christi, es ist ein "unentbehrlicher Aspekt". Durch diese aktuellen römischen Muskelspiele steigt die Männlichkeit zum Offenbarungsgegenstand auf. Das ist eine steile Karriere, und - anders als Ladaria behaupet - eben nicht die ganze, sondern eine ganz junge Geschichte.

Mutters Schoß und Vaters Plan

Damit verbunden ist eine zweite starke Formulierung, die aus Rom viele Jahre nicht zu hören war, nun aber zentral wird: die "Treue zum Plan Christi." Eine Suche auf den offiziellen Seiten des Vatikan ergibt: Johannes Paul II. liebte diesen "Plan", vor allem, wenn er über die Geschlechterordnung sprach. In einem Brief an die Frauen von 1999 schreibt er: "Der Dank an den Herrn für seinen Plan bezüglich der Berufung und Sendung der Frau in der Welt wird auch zu einem konkreten und unmittelbaren Dank an die Frauen, an jede Frau, für das, was sie im Leben der Menschheit darstellt." Danach preist er als erste Berufung und Sendung der Frau den "Mutterschoß".

Wo der "Plan Christi" beginnt, endet der Diskurs. Wer mag schon von sich behaupten, dieses Geheimwissen zu haben und begründet widersprechen zu können? Plan heißt Plan heißt Plan, sagt Rom.

Die Work-Life-Balance ist dahin. Dieses Dokument ist der argumentative Burn-Out.

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