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Eierschalenfarben passt ja überall rein. Von Onkeln, Tanten und Menschenrechten

Aktualisiert: 2. Sept. 2021


Die katholische Kirche ist schreiend ungerecht und schreiend komisch: Bischöfe gehen dauernd auf Frauen zu und mit Frauen um. Sie schenken ihnen Wollknäuel, damit „der Gesprächsfaden nicht abreißt". Manche beschenken sie auch mit Weisheiten aus dem Sachkundeunterricht: „Nur die Frau kann den Mann zum Vater, nur der Mann die Frau zur Mutter machen“, lehrt etwa der Bischof von Regensburg.


Die Radiomorgenandacht rät, der Mensch solle das Blümlein am Wegesrand bewusst wahrnehmen. Das gilt auch für Sackgassenränder. Deshalb erfreue ich mich an der täglichen Stilblüte zur – auch schreiend komisch – Frauenfrage/Rolle der Frau/Thematik Frau/Stellung der Frau/Problematik Frau.



Große Freude bereitete mir vor einigen Wochen der Bischof von Augsburg. „Habt keine Angst vor Frauen!“, soll er bei einer Priesterweihe gesagt haben. Mit Ausrufezeichen stand dieser Satz in der Überschrift einer Meldung. Auch für eine erfahrene Peinlichkeitssammlerin klingt das zunächst unglaublich. Es existiert ein Video dieser Predigt, die Quellenprüfung ergibt: Ja, er hat es gesagt. Und mehr noch: Die frisch Geweihten sollten keine Mamasöhnchen sein, gerade bei Priestern gebe es das sogenannten "Muttersohn-Syndrom".


Bertram Maier meint es gut, ich weiß. Weiber sind wild und gefährlich, es gibt sie noch nicht so lange auf dieser Welt. Mutmaßlich wurden sie erst nach Bischöfen erfunden. Nur die Gottesmutter Maria war schon vorher da. Alle Nicht-Marias machen Angst.


Das Schmunzel-Patriarchat


"Spiegel"-Kolumnistin Margarete Stokowski schrieb kürzlich über das gutmeinende Schmunzel-Patriarchat. Ihr Blick fixiert zwar gewisse Wahlkampfakteure und nicht die römisch-katholische Herrlichkeit. Aber aus ihrem Text pflücke ich mir einen Satz für meinen Klerikerbedarf: „Das »pater« in »Patriarchat« mag ursprünglich »Vater« heißen, aber der Onkel tut es auch. Der Typ, der schon mitbekommen hat, dass es jetzt Feminismus gibt, und der sich vielleicht sogar selbst als Feministen bezeichnet (Scholz), weil: Kost ja nix.“


Auch geweihte Herren onkeln sich durchs Patriarchat: Sie setzen – gaaaanz vorsichtig und vorläufig - die Weiber-Warnstufe herab. Sie müssen über die Frauenfrage/Rolle der Frau/Thematik Frau/Stellung der Frau/Problematik Frau immer noch nachdenken. Sie nehmen ein Ungerechtigkeitsempfinden wahr, aber keine Ungerechtigkeit. Sie versprechen Kooperation, aber keine Gleichberechtigung. Zur Diskriminierung gibt es keine Alternative. Das römisch-katholische Weib hat nur die Wahl zwischen Amtsträgern, die mit Blütenkränzchen diskriminieren und jenen, die es unverblümt tun.


Bei den Augsburger Stichworten „Mamasöhnchen“ und „Muttersohn-Syndrom“ dängt sich Menschen meiner Altersklasse der Loriot-Film „Ödipussi“ auf, genauer: die Szene mit dem Schrank.

Wer sie nicht kennt: Möbelverkäufer Winkelmann zeigt einem älteren Ehepaar, wie schnell sich das Modell Trulleberg auf- und abbauen lässt: „Sie heben die Deckplatte aus den Zapfen und lassen die Seitenteile ausklinken“. Als der fixe Wieder-Zusammenbau misslingt, bittet er den Gatten, mal eben die Deckplatte leicht abzustützen, bis er das Werkzeug – den Scherbolzen - geholt hat. Die Gattin stabilisiert derweil die Tür.


Winkelmann sucht den Scherbolzen vergeblich. Als er Minuten später zurückkommt, halten Mann und Frau tapfer den kollabierenden Schrank fest. Das Modell sei auch in eierschalenfarben lieferbar, erläutert der Verkäufer. „Eierschalenfarben passt ja überall rein“, sinniert die Gattin. Dem Bischof von Regensburg und allen Anhänger*innen der katholischen Komplementaritätstheorie dürfte der Anblick eines Ehepaars mit Zapfen und Deckplatte das Herz erfreuen.


Entgleisende Souveränität


Von außen betrachtet ist alles an dieser Schrank-Szene verhaltensauffällig. Wer drinsteckt im Trulleberg-Komplex, findet es hingegen normal, die Konstruktion auch dann noch zu retten, wenn sie kollabiert. Zum 10. Todestag des Komikers sendete der SWR kürzlich eine bestechend humorfreie Analyse des Loriotschen Schaffens. Auch daraus pflücke ich einen Gedanken: „Immer wieder lotet Loriot die Fallhöhe zwischen der Fassade bürgerlicher Wohlanständigkeit, oft demonstrativ, ja nahezu verzweifelt zur Schau gestellter Würde und deren Misslingen aus, ein Misslingen, das umso größer ist, je steiler die Behauptung von Souveränität gewagt wird. Ein wesentliches Element solch entgleisender Souveränität ist die Unfreiwilligkeit, mit der Loriots Figuren sie erleben.“


Apropos entgleisende Souveränität: Wo Onkel walten, sind Tanten nicht weit. In der Frauenfrage/Rolle der Frau/Thematik Frau/Stellung der Frau/Problematik Frau finden sich durchonkelnde Bischöfe ein sich durchtantendes Gegenüber. Wenn ER sagt: „Habt keine Angst vor Frauen“, ergänzt sie: „Frauen sind so nützliche Wesen! Was wäre die Kirche ohne diese possierlichen Geschöpfe!“ Wenn ER sagt: „Es wäre nicht würdig und recht, wenn Frauen alles dürften, was Männer dürften“, stellt SIE eine mächtige Äbtissin aus dem Mittelalter in die Auslage und ruft: „Schauen Sie mal, welche fromme Frauen mit Jurisdiktionsprimat es früher gab.“ Wenn ER sagt: "Ich muss weiter nachdenken", liefert SIE ihm Denkstoff frei Haus: "All diese starken Frauen aus der Bibel und der Kirchengeschichte! Maria Magdalena! Junia!! Theresa von Avila!!!"

Das fleißige Lieschen hievt starke Frauen in die Auslage


Die katholische Lehre stellt verzweifelt die weibliche Wesenswürde zur Schau. Das bedeutet: Frauen haben eine Bestimmung. Das Weitere regeln geweihte Männer. Auffallend viele Frauen dienen sich diesem Konstrukt forschend und begründend an. Kein noch so hoher akademischer Grad bewahrt vor der Selbstdegradierung zum fleißigen Lieschen. Trulleberg soll femininer werden, das Brett vorm Kopf wird "mit weiblichem Blick" betrachtet.


Die Plackerei der fleißigen Tanten hat bisher nur dazu geführt, dass der Onkel sagt: Ich muss weiter nachdenken, ich brauche noch eine Diakoninnenmöglichkeitskommission, noch ein theologisches Papier, noch mehr Beweise, dass es auch früher schon Frauen gab, die in den Schrank passten.


Manche Theologinnen und Theologen brechen aus dieser Beweisführung aus und fordern: Menschenrechte müssen auch in der katholischen Kirche gelten! Gleiche Würde, gleiche Rechte, unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung! Hans Joachim Sander und Rainer Bucher machen in einer Analyse "fundamentale Menschenrechtsprobleme" in der katholischen Kirche aus und sehen "unauflösliche Selbstwidersprüche zu den eigenen Basics". Julia Knop fasst in einem Interview mit dem Deutschlandfunk die "Frauenfrage" knapp so zusammen: "Welche Bedeutung haben Grundrechte in der katholischen Kirche?"


Im Geltungsbereich des Grundgesetzes klingt die Menschenrechts-Mahnung staatstragend, aus der Trullebergstabilisierungsperspektive wirkt die Forderung nach Gleichberechtigung aggressiv. Angegriffen fühlen sich davon jene Laien, die auf dem Synodalen Weg Deckplatte, Zapfen und Tür unter schmerzhaften Verrenkungen zu fixieren versuchen. Angst ergreift nicht nur Muttersöhnchen mit Priesterkragen. Angst haben auch Reformlagerist*innen. Bisher halten sie die Bretter fest, damit der Schrank noch steht, wenn der Onkel gucken kommt.


Menschenrechte sprengen die Bretterbude


Gleichberechtigung bedeutet: Frauen müssen weder ihren Wert noch ihren Nutzen beweisen. Sie müssen weder stark sein noch die Kirche retten. Sie müssen nicht nett lächeln und auch nicht fleißig arbeiten. Es genügt, dass sie Mensch sind.


Sollten Menschenrechte in der römisch-katholischen Kirche gelten, dann würde sich die Kirchenkonstruktion grundlegend ändern. Dafür reicht kein Scherbolzen, dafür reicht es nicht, den weiblichen Blick aufs Brett einzubringen. Dafür braucht es einen anderen Schrank.

Menschenrechte sprengen die Bretterbude mit Zapfen, Deckplatte und Blümchentapete. Es gibt sie nicht in eierschalenfarben.

























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